rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragungsfehler des Steuerberaters ist keine offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Kreuzt die Angestellte des Steuerberaters im Computerprogramm das Feld „Altersrente” an, obwohl es sich um eine Erwerbsunfähigkeitsrente handelt, dann ist diese Unrichtigkeit nicht „offenbar”, wenn der Bearbeiter im Finanzamt diese nicht erkennen konnte, weil bereits in den Vorjahren die Rente falsch erklärt war, die übrigen Angaben zur falschen Qualifikation passten und keine Unterlagen eingereicht wurden.
Normenkette
AO § 129
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ein bestandskräftiger Steuerbescheid nach § 129 der Abgabenordnung (AO) geändert werden muss.
Die Kläger werden für das Streitjahr 2002 beim Beklagten – dem Finanzamt (FA) – zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Sie erklärten in ihre ESt-Erklärung auf der Anlage SO sonstige Einkünfte aus einer Rente des Klägers. Die Kläger füllten folgende Felder dieser Anlage wie folgt aus:
- ”Einnahmen Altersrente”: angehakt
- ”Die Rente läuft seit”: 10.02.2000
- ”Die Rente erlischt mit dem Tod von”: des Ber.
- ”Rentenbetrag”: 16.801 EUR
- ”Falls Bekannt: Ertragsanteil der Rente”: 36%.
Das FA veranlagte mit Bescheid vom 7. August 2003 unter Übernahme der erklärten Zahlen.
Mit Schreiben vom 6. April 2004 bat der steuerliche Vertreter der Kläger das FA um eine Änderung des ESt-Bescheids für 2002 nach § 129 AO. Bei der erklärten Rente handele es sich um eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Da der Mandant bei Beginn der Rente 59 1/2 Jahre alt gewesen sei, könne es sich nicht um eine Altersrente handeln. Dies begründe die offenbare Unrichtigkeit. Das FA sah die Voraussetzungen des § 129 AO für nicht gegeben und lehnte die Änderung zuletzt in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 18. April 2005 ab.
Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor,
der Ertragsanteil sei richtigerweise mit 13% anzusetzen. Es handele sich um einen klassischen Fall des § 129 AO. Der Fehler sei einem Angestellten der Steuerkanzlei unterlaufen, der im Computerprogramm ein falsches Kästchen angekreuzt habe. Der Computer habe den Fehler dann in die Anlage SO übernommen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid vom 07. August 2003 durch Erlass eines Änderungsbescheides gemäß § 129 AO dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Änderung der angefochtenen Bescheide nach § 129 AO.
1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschrift müssen Schreiboder Rechenfehlern ähnlich und ebenso wie mechanische Fehler ohne weitere Prüfung erkennbar sein, um die Berichtigung eines Verwaltungsakts zu rechtfertigen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. März 1994 XI R 78/92, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1995, 937). Ein mechanisches Versehen liegt nicht vor, wenn die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung besteht (ständige Rechtsprechung z.B. Urteil des BFH vom 14. Juni 1991 III R 64/89, BStBl II 1992, 52). Eine unvollständige Sachverhaltsermittlung ist dann anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanisches Versehen hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhafter oder unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist hingegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Besteuerung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (vgl. Urteile des BFH vom 26. April 1989 VI R 39/85, BFH/NV 1989, 619; vom 3. April 1987 VI R 218/83, BFH/NV 1987, 553; vom 29. März 1985 VI R 140/81, BStBl II 1985, 569).
Eine beim Erlass des Bescheids unterlaufende Unrichtigkeit muss aber grundsätzlich in der Sphäre der den Bescheid erlassenden Behörde entstanden sein (BFH-Urteil vom 23.1.1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 360 m.w.N.). Fehler in der Steuererklärung – von den Fällen der Selbstveranlagung abgesehen – rechtfertigen für sich allein keine Berichtigung nach § 129 AO, weil diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut und Sinn nicht für Versehen des Steuerpflichtigen gilt (BFH-Urteil vom 3.6.1987 X R 61/81, BFH/NV 1988, 342).
Nur dann, wenn die Fehlerhaftigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen für das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit erkennbar gewesen wäre, das Fi...