Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei fehlender Ausgangskontrolle. Kein Ersatz eines fehlenden Postausgangsbuches durch eidesstattliche Versicherungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Führung eines Postausgangsbuches – zum Beweis der rechtzeitigen Absendung eines fristwahrenden Schriftsatzes – bedarf es nicht, wenn der Bevollmächtigte den von ihm unterzeichneten und kuvertierten Schriftsatz in einer Poststelle seiner Kanzlei ablegt, und aufgrund allgemeiner organisatorischer Anweisungen gewährleistet ist, dass dort lagernde Briefe ohne weitere Zwischenschritte noch am selben Tag frankiert und zur Post gegeben werden (vgl. BGH v. 11.1.2001, III Z R 148/00).
2. Die Vorlage des Postausgangsbuches zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung eines fristwahrenden Schriftstücks lässt sich im Falle fehlender Kuvertierung durch den Bevollmächtigten und nicht gesicherter taggleicher Einlieferung erstellter Schriftstücke bei der Post sowie eines keinen Adressaten ausweisenden Fristenkontrollbuchs, weder durch eidesstattliche Versicherungen noch durch die Bestätigung des Steuerpflichtigen über den Erhalt eines Abdrucks des Schriftsatzes ersetzen.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2 S. 2; ZPO § 85 Abs. 2; FGO §§ 47, 155
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Am 5. Februar 2007 wurde ihrem Prozessbevollmächtigten die streitgegenständliche Einspruchsentscheidung des Beklagten (Finanzamt) in Sachen Einkommensteuer 1995 bis 1998 sowie gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.1999 und 2000 übersandt.
Ausweislich des Eingangsvermerks der Kanzlei ist diese dort am 07. Februar 2007 eingegangen.
Zum vorliegenden Streitkomplex sind noch zwei weitere Einspruchsentscheidungen ergangen und zwar gegen den Kläger am 02. Februar 2007 (die Gewerbesteuer bzw. Umsatzsteuer für 1995 und 1996 betreffend) und gegen die Klägerin ebenfalls am 05. Februar 2007 (die Gewerbesteuer bzw. Umsatzsteuer 1996 und 1997 betreffend).
Gegen die beiden letztgenannten Einspruchsentscheidungen erhob der Prozessbevollmächtigte der Kläger für diese Klagen, die am 22. Februar 2007 bzw. am 01. März 2007 bei Gericht eingegangen sind. Die entsprechenden Eingangsbestätigungen, jeweils verbunden mit der Zuteilung eines Aktenzeichens, übersandte die Geschäftsstelle des Gerichts dem Prozessbevollmächtigten unter dem 02. März 2007 bzw. 14. März 2007 und forderte ihn auf, die Klage innerhalb gesetzter Frist (20.04.2007 bzw. 25.04.2007) zu begründen. Mit Schreiben vom 03. April 2007 beantragte der Prozessbevollmächtigte, diese Fristen jeweils bis zum 30. Mai 2007 zu verlängern. Zugleich wies er darauf hin, dass „bekanntlich drei Verfahren anhängig” seien. Zur „hier streitgegenständlichen” Klage der Eheleute L. liege noch kein Aktenzeichen und noch keine Eingangsbestätigung vor.
Dazu teilte die Geschäftsstelle dem Prozessbevollmächtigten noch am gleichen Tag telefonisch mit, eine Klage der Eheleute L. liege nicht vor.
Daraufhin erhob der Prozessbevollmächtigte der Kläger für diese in vorliegender Sache mit Schriftsatz vom 12. April 2007 Klage. Diese verband er mit dem Antrag, wegen der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Den Antrag begründete er damit, die streitgegenständliche Klage sei von seiner Kanzlei am 27. Februar 2007 eingereicht worden. Der Postausgang sei wie folgt organisiert:
Der Entwurf eines Schriftsatzes werde dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt zur abschließenden Korrektur vorgelegt. Wenn sich keine Änderungen mehr ergäben, unterschreibe dieser den Schriftsatz im Original und gebe ihn in den Postausgang. Der Postausgang sei seinerseits so organisiert, dass lediglich zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestelle für den Versand der Schriftsätze zuständig seien. Der Arbeitsvorgang umfasse auch die Zusammenfassung der ausgehenden Schriftstücke in rote Postausgangsumschläge und deren Verbringung zum nächst liegenden Briefkasten beim Postamt G-Str. …. Sei – wie hier – mit dem Postausgang eine Frist verknüpft, so werde diese Frist „zweifach doppelt” vorgemerkt (als Vorfrist und Fristablauf). Die Frist werde erst dann als „erledigt” gelöscht, wenn das erledigende Schriftstück tatsächlich unterzeichnet in den Postauslauf gegeben worden sei und dieser das Haus verlassen habe bzw. sichere Vorsorge für die Absendung getroffen, d. h. mindestens postausgangsbereit sei. Auch dieser elektronische Vormerk- und Kontrollprozess sei im vorliegenden Fall am 27. Februar 2007 ordnungsgemäß abgeschlossen und vermerkt worden.
Nach Lage der Dinge stehe damit zweifelsfrei fest, dass die Klage innerhalb gesetzlicher Frist erstellt worden und in den Postauslauf gebracht worden sei.
Der Prozessbevollmächtigte fügte dem Wiedereinsetzungsgesuch einen Ausdruck des elektronisch geführten Fristenkalenders bei. Darin ist unter d...