Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Zurechnung von Prostitutionsumsätzen zum Betreiber eines sog. FKK-Clubs
Leitsatz (redaktionell)
1. Prostitutionsumsätze sind auch dann nicht den Prostituierten, sondern dem Betreiber eines sog. FKK-Clubs zuzurechnen, wenn die Prostituierten zwar selbst das Entgelt bar vereinnahmen, wenn sich jedoch die Leistungen der Prostituierten aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden (Freier) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Teil der Gesamtleistung des Betreibers darstellen, auch wenn es sich hierbei um höchstpersönliche Dienstleistungen der Prostituierten handelt. Indizien hierfür sind z. B., wenn
- der Betreiber mit seinem Internetauftritt den Eindruck erweckt, selbst Anbieter der sexuellen Dienstleistungen zu sein,
- er den zur Kontaktanbahnung mit den Prostituierten erforderlichen Raum (Kontaktraum) samt Ausstattung sowie das für die Aufrechterhaltung der Reinlichkeit und Sicherheit erforderliche Personal zur Verfügung stellt,
- die Freier die Preise für sexuelle Dienstleistungen als von dem Betreiber vorgegebene Preise verstehen müssen,
- der Betreiber durch organisatorische Maßnahmen (geregelte Schichtzeiten, Anwesenheit einer bestimmten Mindestzahl von Prostituierten) dafür sorgt, dass der Nachfrage der Freier nach sexuellen Kontakten jederzeit entsprochen werden kann.
2. Ein Handeln der Prostituierten mit Unternehmerrisiko und -initiative sowie eine unterstellte Selbstständigkeit der Prostituierten schließt die umsatzsteuerrechtliche Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zum Betreiber nicht aus, weil es für die Zurechnung keine Rolle spielt, ob die Prostituierten als – selbstständige – Subunternehmerinnen oder als – unselbstständige – Arbeitnehmerinnen für den Betreiber tätig sind.
3. Die (gesamten) Umsätze in einem Saunaclub sind demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einem derartigen Club erwarteten Dienstleistungen auftritt. Hieran hat sich durch das am 1. 1. 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG –) nichts geändert.
4. Zur Schätzung der von den Prostituierten erzielten Einnahmen, wenn der Betreiber des FKK-Clubs insoweit keine Aufzeichnungen geführt hat.
Normenkette
UStG 2014 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 2, § 22 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 S. 1; AO § 162 Abs. 1-2; EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1; HGB § 56; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. c
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Zurechnung von Prostitutionsumsätzen.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Fa. GmbH (nachfolgend: GmbH).
Satzungsgemäßer Gegenstand der mit Gesellschaftsvertrag vom als gegründeten und mit Gesellschafterbeschluss vom in ihre jetzige Firmenbezeichnung umbenannten GmbH sind. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde Frau zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt.
Die GmbH betrieb in den Streitjahren in der Straße in unter dem Namen einen FKK-Club. In diesen Räumen hatten die Gäste die Möglichkeit einer Kontaktanbahnung zu den dort in einer Anzahl von 14 bis 38 anwesenden Prostituierten, die abgesehen von dem jeweils am stattfindenden -Tag unbekleidet waren. Die GmbH stellte ihren Gästen ein Schwimmbad, eine Sauna, Handtücher, Badeschuhe, frisches Obst sowie nichtalkoholische Getränke zur Verfügung. Im Obergeschoss des FKK-Clubs konnten die Gäste mit den Prostituierten eines von insgesamt 15 Zimmern nutzen, die mit Betten und frischer Bettwäsche ausgestattet waren; eine feste Zimmerzuteilung gab es nicht, sondern es konnten die jeweils gerade verfügbaren Zimmer genutzt werden. Für diese Leistungen erhob die GmbH sowohl von den Gästen als auch den Prostituierten ein einheitliches Eintrittsgeld in Höhe von EUR. Auf ihrer Internetseite führte die GmbH den Vornamen, das Alter, die Körpergröße und die Konfektionsgröße der jeweils anwesenden Prostituierten auf. Die Prostituierten rechneten ihre Leistungen unmittelbar gegenüber dem jeweiligen Gast in bar ab; die Möglichkeit einer Kartenzahlung bestand nicht.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre errechnete die GmbH ihre Umsatzsteuer mit den Beträgen von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006), EUR (2007) sowie EUR (2008).
Am durchsuchten Beamte des Hauptzollamts die Räume der GmbH im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Geschäftsführerin der GmbH, Frau wegen Verdachts auf Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im besonders schweren Fall u.a. (Bericht vom 17. September 2008, Bl. 20 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).
Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung (Bericht vom 29. Oktober 2009, Bl. 2 BP-Akte) setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Umsatzsteuer für die Streitjahre mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 28. Dezember 2009 auf die Beträge von EUR (2004), EUR (2005)...