rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Telefonischer Einspruch unwirksam; stillschweigende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; leichte Depression kein Wiedereinsetzungsgrund
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Einspruch kann nicht wirksam durch ein Telefonat mit dem zuständigen Bearbeiter beim FA eingelegt werden. Eine Erklärung des Einspruchs zur Niederschrift durch Fernsprecher ist nicht zulässig.
2. Eine stillschweigende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand -sollte sie im Verwaltungsverfahren überhaupt möglich sein- würde jedenfalls voraussetzen, dass aufgrund eines Wiedereinsetzungsantrags eine förmliche Entscheidung über einen verspäteten Rechtsbehelf ergangen ist, in der die Rechtzeitigkeit des Rechtsbehelfs unterstellt wurde.
3. Eine laut ärztlichem Gutachten leichte, allenfalls mittelgradige "depressive Episode" des Steuerpflichtigen rechtfertigt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Normenkette
AO 1977 § 110 Abs. 1; FGO § 58 Abs. 1; ZPO § 56 Abs. 1; AO 1977 § 357 Abs. 1
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Einkommensteuerfestsetzung für 1993 entsprechend der Einkommensteuererklärung zu ändern ist.
Die Kläger sind Ehegatten und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 18. Mai 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) die Einkommensteuer für 1993 aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen mit 18.928 DM fest. Das Finanzamt ging hierbei von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 90.000 DM und der Klägerin in Höhe von 10.000 DM sowie von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.500 DM aus. Aufgrund einer Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen des Finanzamts M. wonach der Kläger 1993 aus der Grundstücksgemeinschaft W, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.734 DM bezogen hat, erließ das Finanzamt am 9. November 1995 einen Änderungsbescheid, in dem es unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Einkommensteuer auf 24.752 DM festsetzte. Es ging hierbei von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 100.000 DM, der Klägerin in Höhe von 10.000 DM und von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 10.000 DM aus. Mit Schreiben vom 4. Februar 1996 teilte der Kläger dem beklagten Finanzamt mit, daß aufgrund der ihm zugegangenen Mahnungen und Steuerbescheide er sich veranlaßt sehe, eine Stellungnahme abzugeben. Er sei seit längerem zu 60 % schwerbehindert, er leide unter starken Gedächtnisstörungen und Konzentrationsschwäche, so daß er Belege und Unterlagen oft verlege, ohne sie wiederzufinden. Auch die Hinzuziehung einer Steuerberaterin habe nicht die gewünschte Entlastung gebracht. Er sei sich bewußt, daß er mit Steuererklärungen in Verzug sei und lege deshalb seine Verdienstbescheinigungen der letzten drei Jahre vor. Danach habe der Bruttolohn im Streitjahr 85.748 DM betragen, von dem 14.794 DM an Steuern einbehalten worden seien.
Seine Frau habe ab dem Jahr 1993 keinerlei Arbeitseinkommen bezogen, sondern beziehe Altersrente. Seine Steuerberaterin werde er mit der Abfassung der Steuererklärungen für 1993 bis 1995 beauftragen. Ferner weist der Kläger auf eine Presseveröffentlichung des Bayerischen Staatsministers der Finanzen vom Januar 1996 hin. Zitat: „Legt ein Bürger gegen einen Steuerbescheid, der ihm zu hoch erscheint, Einspruch ein, so entbindet ihn dies grundsätzlich nicht von der Bezahlung des festgesetzten Betrages. Allerdings kann er gleichzeitig oder nachträglich einen Antrag auf „Aussetzung der Vollziehung” stellen. Bestehen „ernstliche Zweifel” an der Steuerfestsetzung, sind also die Einwendungen gegen die tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen des Finanzamtes nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, wird das Finanzamt die Vollziehung des Steuerbescheides aussetzen. Der festgesetzte Betrag braucht dann zunächst nicht gezahlt zu werden.” Da dies in seinem Fall mehr als zutreffend sei, stelle er daher diesen Antrag und erwarte die Handhabung in diesem Sinne. Mit Schreiben vom 13. Februar 1996 antwortete der Amtsvorsteher des beklagten Finanzamts dem Kläger. Er wies darauf hin, daß er nach Durchsicht der Steuerakte feststellen habe müssen, daß der Kläger seiner Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen in einigen Jahren überhaupt nicht und ansonsten jeweils nur auf Druck und mit unvertretbarer zeitlicher Verzögerung nachgekommen sei. Hierin liege auch die Ursache für die gegenwärtigen Schwierigkeiten. Nach Hinweis darauf, daß in diesen Fällen Schätzungen erforderlich sind und ein geregelter Veranlagungsbetrieb erfordere, daß die Veranlagungsarbeiten für 1993 im Frühjahr 1995 abgeschlossen würden, führt der Amtsvorsteher aus: Zitat: „Zu der Frage, wie die steuerlichen Fragen im einzelnen geregelt werden können, werden Sie gesondert informiert. Der von Ihnen beabsichtigte Weg, eine Steuerberaterin zu beauftragen, ist s...