Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheids. Auslegung von Rechtsbehelfen
Leitsatz (redaktionell)
1. Solange der Einkommensteuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist, kann ein bestandskräftiger Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d Abs. 4 S. 5 i. V. m. S. 4 EStG in der Fassung bis zum Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010 (BGBl 2010 I S. 1768) geändert werden, auch wenn der Verlustfeststellungsbescheid nicht angefochten ist und eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt.
2. Eine Änderung der in § 10d Abs. 4 S. 2 EStG a. F. genannten Größen liegt auch dann vor, wenn Verluste erst aufgrund geänderter Rechtsmeinung zu berücksichtigen sind.
3. Die Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung führt zur Hemmung der Feststellungsverjährung nach § 10d Abs. 4 S. 6 EStG.
4. Die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung ist bei fehlender Auswirkung auf die Höhe der Steuer unbegründet, da nach § 10d Abs. 4 S. 4 EStG a. F. keine inhaltliche Bindungswirkung der Besteuerungsgrundlagen der Einkommensteuerfestsetzung für die Verlustfeststellung besteht.
5. Ein Einspruch gegen einen geänderten Einkommensteuerbescheid kann nicht als Einspruch auch gegen einen geänderten Verlustfeststellungsbescheid ausgelegt werden, wenn sich aus den Änderungen jeweils eine eigenständige Beschwer ergibt.
Normenkette
EStG § 10d Abs. 4, § 23 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 21. September 2016 und der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2017 wird der Beklagte verpflichtet, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2006 und 31. Dezember 2007, jeweils vom 9. März 2011, dahin gehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften um weitere Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 1.347.303,74 EUR zum 31. Dezember 2006 und 2.261.319,60 EUR zum 31. Dezember 2007 erhöht wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger eine Änderung der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2006 und 31. Dezember 2007 dahin gehend beanspruchen kann, dass weitere Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften Berücksichtigung finden.
Der Kläger wurde in den Streitjahren getrennt zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger investierte 2005 bis 2007 über Deutsche Bank AG in fremdfinanzierte Anlagen der „DAX Seitwärtsstrategie” und der „Value Select III Strategie B” und erzielte daraus 2006 bis 2008 Verluste. Die Verluste standen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Optionsrechten und der Veräußerung der durch deren Ausübung erlangten Inhaberschuldverschreibungen. Eine gegenläufige Veräußerung von Optionsscheinen erfolgte jeweils außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist. Aus den im Einspruchsverfahren vorgelegten Verträgen und Bankbescheinigungen, auf die hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, ergeben sich folgende Kauf- und Verkaufsvorgänge:
2006
Kauf von sechs Optionsscheinen Wertpapierkennnummer (WKN) A0HXHV am 8. Dezember 2005 für 1,365 Mio. EUR.
Kauf von sechs Optionsscheinen WKN A0HXHW am 9. Dezember 2005 für 1,365 Mio. EUR.
Finanziert mit dem Darlehen Nr. 221 0288878 02 Deutsche Bank.
Kauf von sechs Inhaberschuldverschreibungen WKN DB2EAA unter Verwendung der Optionsscheine WKN A0HXHW am 14. März 2006.
Verkauf am 25. Juli 2006 |
237.450 EUR |
Abzgl. Anschaffungskosten |
1.545.000 EUR |
Verlust |
1.307.550 EUR. |
Verkauf der Optionsscheine WKN A0HXHV am 11. Dezember 2006 für 2.506.704 EUR.
2007
Kauf von fünf Optionsscheinen WKN A0KQJN am 11. Dezember 2006 für 2,275 Mio. EUR.
Kauf von fünf Optionsscheinen WKN A0KQJJ am 12. Dezember 2006 für 2,275 Mio. EUR.
Finanziert mit dem Darlehen Nr. 221 0288878 03 Deutsche Bank.
Kauf von fünf Inhaberschuldverschreibungen WKN DB1EA4 unter Verwendung der Optionsscheine WKN A0KQJN am 13. April 2007.
Verkauf am 30. Oktober 2007 |
398.850 EUR |
Abzgl. Anschaffungskosten |
2.575.000 EUR |
Verlust |
2.176.150 EUR. |
Verkauf der Optionsscheine WKN A0KQJJ am 17. Dezember 2007 für 4.111.570 EUR.
Mit geändertem Bescheid vom 1. März 2011 stellte das beklagte Finanzamt (FA) den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2005 für die privaten Veräußerungsgeschäfte auf 110.842 EUR fest.
Die Einkommensteuer- und Verlustfeststellungserklärungen des Klägers gingen für 2006 am 2. März 2007 und für 2007 am 29. Juli 2009 be...