Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensgewährung unter Schwestergesellschaften. Abgrenzung der betrieblichen von der gesellschaftlichen Veranlassung
Leitsatz (redaktionell)
1. Befindet sich eine Personengesellschaft im Stadium der Liquidation, bleibt sie nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, wird aber durch ihren Liquidator vertreten.
2. Es ist denkbar, dass im Verhältnis zwischen Schwestergesellschaften bestehende Forderungen ungeachtet ihrer gesamthänderischen Bindung nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum Privatvermögen gehören. Ein im Interesse eines an beiden Gesellschaften beteiligten Gesellschafters gewährtes Darlehen kann außerbetrieblich veranlasst sein.
3. Anlass für eine Prüfung der betrieblichen oder privaten Veranlassung besteht aber nicht nur im Falle der Darlehensgewährung an ganz oder teilweise beteiligungsidentische Schwestergesellschaften, sondern auch, wenn der Darlehensnehmer dem Gesellschafter der (kreditgewährenden) Personengesellschaft nahesteht.
4. Zur Abgrenzung der betrieblichen von der gesellschaftlichen Veranlassung ist jedoch die Ausgestaltung der Darlehen zwischen den Schwestergesellschaften und der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs anhand der Gesamtumstände zu würdigen.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 1 Sätze 1, 4, § 5 Abs. 1
Tenor
1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1999, der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 1999 und der Bescheid über die Feststellung des vortragfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 1999 – jeweils vom 10. November 2006 – in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. August 2010 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die sich in Liquidation befindet. Sie wird durch den Liquidator, X vertreten. Gesellschafter der Klägerin sind die GmbH i.L. als Komplementärin und ihre Kommanditisten, die Ehegatten X und Y (zu 32,66 % bzw. zu 34 % beteiligt), W und Z (zu 16,34 % bzw. zu 17 % beteiligt). Geschäftsführer und Liquidator der GmbH i.L. war bzw. ist ebenfalls X. Die Kommanditeinlagen in Höhe von insgesamt 750.000 DM sind nicht geleistet (X 245.000 DM, Y 255.000 DM, W 122.500 DM und Z 127.500 DM).
Die Gesellschafter der Klägerin erzielten aus Grundstücksvermietung wegen gewerblicher Prägung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemeinschaftliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Der Jahresabschluss der Klägerin wies zum 31. Dezember 1998 Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen von insgesamt 2.718.066,89 DM aus, u.a.:
- Immobilienholding KG (im Folgenden – KG –) in Höhe von 1.132.765,40 DM,
- Grundstücksgemeinschaft (GbR) in Höhe von 1.528.559,47 DM und
Kommanditisten der KG sind zu je 50 % X und W. Gesellschafter der GbR waren bis zum 31. Dezember 1998 zu 2/3 X und zu 1/3 W, ab 1. Januar 1999 sind Gesellschafter der KG weiterhin zu 1/3 W und nun zu 2/3 sein Sohn Z.
Die genannten Verbindlichkeiten der Klägerin entwickelten sich seit deren Gründung im Jahr 1988 und erhöhten sich jährlich kontinuierlich. Sie wurden in der Bilanz zum 31. Dezember 1999 dem beweglichen Kapitalkonto aller Kommanditisten der Klägerin gutgeschrieben und damit als gewinnneutrale Einlagen behandelt. Bei der KG waren die entsprechenden Forderungen bereits zum 31. Dezember 1998 erfolgsneutral über die Kapitalkonten ihrer beiden Gesellschafter ausgebucht worden. Durch diese Buchungsvorgänge bei der Klägerin verringerten sich zum 31. Dezember 1999 die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten entsprechend. Das bewegliche Kapitalkonto der Kommanditisten betrug nach der Bilanz zum 31. Dezember 1999 nur noch 44.989,60 DM. Der laufende Verlust von 103.464 DM wurde als ausgleichsfähig behandelt. Die zum 31. Dezember 1998 bestehenden verrechenbaren Verluste gemäß § 15 a EStG (1.966.824 DM) wurden in unveränderter Höhe zum 31. Dezember 1999 erklärt.
Zum 31. Dezember 2000 wurde die Klägerin beendet (Liquidationsbeschluss vom 20. Dezember 2000). Die Klägerin wurde am 8. März 2001 im Handelsregister gelöscht. Die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten wurden zugunsten entsprechender Veräußerungsgewinne aufgelöst, die mit den aus den Vorjahren bestehenden verrechenbaren Verlusten verrechnet wurden. Lediglich für Z ergaben sich ein positives Kapitalkonto und damit ein Veräußerungsverlust.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) führte entsprechend der eingereichten Steuererklärungen die Veranlagung durch und erließ gegenüber der Klägerin – jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – den Feststellungsbescheid 1999 am 23. November 2001 (auf Antrag der Klägerin mit Bescheid am 14. März 2002 nach § 164 Abs. 2 der A...