Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer Klage bei verspäteter Klageerhebung
Leitsatz (redaktionell)
Der Kläger kann sich auch nicht auf einen späteren Beginn der Klagefrist berufen, indem er geltend macht, die Einspruchsentscheidung sei ihm erst nach den Osterfeiertagen zugegangen. Er hat damit die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht widerlegt. Bestreitet nämlich der Empfänger den Erhalt innerhalb der Drei-Tages-Frist eines mit der Post übermittelten Verwaltungsakts, hat er substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf den späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen. Dies hat der Kläger im Streitfall aber nicht getan.
Normenkette
FGO §§ 47, 54 Abs. 1; AO §§ 366, 122 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Abgabenschulden der Firma X GmbH (GmbH) in Haftung genommen worden ist.
Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der im Jahr 2004 gegründeten GmbH. Unternehmensgegenstand war die Vermarktung von Datenträgern, datenträgerbasierenden Systemen, Etablierung von Kommunikationssystemen wie z. B. medizinischen Internetportalen sowie Aufbau und Vermarktung von Hard- und Softwaresystemen im Bereich des Gesundheitswesens. Seit 4. September 2009 befindet sich die GmbH in Liquidation.
In den Umsatzsteuervoranmeldungen und in der Jahressteuererklärung 2005 hatte die GmbH Vorsteuererstattungen von 234.180,17 EUR geltend gemacht, die das Finanzamt (FA) ausgezahlt hat.
Im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung, zu der die Steuerfahndungsstelle hinzugezogen wurde, stellte das FA fest, dass die Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der Firma M geltend gemacht wurden, deren Geschäftsführer ebenfalls der Kläger war. Nach Ansicht des FA lag den Rechnungen jedoch kein Leistungsaustausch zu Grunde, Zahlungen seien nicht geleistet worden.
Daraufhin setzte das FA jeweils mit Bescheid vom 25. Juni 2008 gegenüber der GmbH die Umsatzsteuer 2005 mit einem Negativbetrag von 13.309,20 EUR und die Umsatzsteuer 2006 mit einem Negativbetrag von 5.785,29 EUR fest. Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 4. November 2008). Die dagegen erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung sowie des Betriebsprüfungsberichts wurde mit Urteil vom 27. November 2008 vom Finanzgericht München unter dem Aktenzeichen 14 K 3117/07 abgewiesen.
Der Kläger wurde mit Urteil vom 4. Februar 2009 durch das Landgericht wegen Steuerhinterziehung von Umsatzsteuer der GmbH in Höhe von 437.428,20 EUR verurteilt.
Nachdem die Beitreibung der Umsatzsteuerrückstände bei der GmbH ohne Erfolg blieb, nahm das nunmehr zuständige Finanzamt (FA) den Kläger nach vorheriger Anhörung und Ankündigung mit Bescheid vom 4. Januar 2010 für rückständige Umsatzsteuer 2005 und 2006 in Gesamthöhe von 436.505,85 EUR in Haftung. Als Begründung für die Inanspruchnahme führte das FA an, dass der Kläger als Geschäftsführer eine unrichtige Umsatzsteuererklärung für 2005 sowie unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Juni 2006 abgegeben und zu Unrecht Vorsteuern aus Scheinrechnungen der M geltend gemacht habe. In der Zahlungsaufforderung des Haftungsbescheides teilte das FA dem Kläger mit, dass die Haftungsschuld sofort fällig sei, weil eine Aufrechnung mit einem dem Kläger zustehenden Guthaben beim Finanzamt K beabsichtigt sei.
Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 29. März 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Sein bei Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids wurde mit Beschluss vom 27. April 2010 abgelehnt.
Mit seiner am 7. Mai 2010 beim Finanzgericht München eingegangen Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass er die Einspruchsentscheidung vom 29. März 2010 wegen der Osterfeiertage erst am 7. April 2010 erhalten habe.
Im Übrigen seien die der Inhaftungnahme zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen nichtig und in mehreren Verfahren vor dem Finanzgericht München angefochten. Aus diesem Grund sei auch die Ankündigung der Aufrechnung aufzuheben und für gegenstandslos zu erklären. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Aufrechnung mit einredebehafteten Forderungen nicht zulässig.
Die Steuerfahndung habe alle Unterlagen, mit denen er die wesentlichen Geschäftsbeziehungen zwischen der GmbH und der M und somit den tatsächlich stattgefundenen Leistungsaustausch nachweisen könne, unterdrückt und an die Strafkammer weiter gegeben. Im Strafverfahren selbst sei die Frage der Lizenzrechte zwar thematisiert, jedoch sei hierzu keine definitive Feststellung getroffen worden.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 4. Januar 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 29. März 2010 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor, dass ...