rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahren zur Feststellung einer Einlagenrückgewähr von Kapitalgesellschaften aus einem EU-Mitgliedsstaat nach § 27 Abs. 8 KStG verstößt nicht gegen Europarecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Hinblick auf in einem anderen Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften wird – anders als bei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften – nicht der Bestand des steuerlichen Einlagekontos gesondert festgestellt, sondern die Summe der im jeweiligen Veranlagungszeitraum als Einlagenrückgewähr zu qualifizierenden Leistungen. Die Frist zur Stellung des diesbezüglichen Antrags ist eine Ausschlussfrist.
2. Eine Einlagenrückgewähr kann auch von einer Gesellschaft getätigt werden, die in einem Drittstaat ansässig ist und für die kein steuerliches Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG geführt wird.
3. Das von § 27 Abs. 8 KStG vorgesehene Verfahren zur gesonderten Feststellung einer Einlagenrückgewähr bei Ausschüttungen von Gesellschaften aus einem anderen EU-Staat verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen den europarechtlichen Effektivitäts- oder Äquivalenzgrundsatz.
4. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO unter Hinweis auf die versäumte Antragsfrist des § 27 Abs. 8 KStG abgelehnt wird.
Normenkette
KStG § 27 Abs. 1-2, 8, § 8b Abs. 5; AEUV Art. 63; AO §§ 5, 163; FGO § 102
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in und wird beim beklagten Finanzamt (FA) u. a. zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer veranlagt.
Im Streitjahr 2007 erhielt die Klägerin von ihrer EU-Tochtergesellschaft mit Sitz in Österreich, eine Ausschüttung in Höhe von EUR.
Mit den Steuererklärungen zur Körperschaft- und der Gewerbesteuer reichte die Klägerin eine Sachverhaltsdokumentation zu dieser Einlagenrückgewähr bei dem beklagten Finanzamt (FA) ein. Mit Bescheiden jeweils vom veranlagte das FA erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung – AO –).
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung gelangte der Beklagte jedoch zu der Auffassung, dass die Einlagenrückgewähr nicht steuerneutral erfolgen könne. Den nach § 27 Abs. 8 Satz 1 und 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) erforderlichen Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zur Feststellung einer Einlagenrückgewähr hat die nicht gestellt.
Mit Änderungsbescheiden vom behandelte das FA die Einlagenrückgewähr als reguläre Ausschüttung im Sinne des § 8b Abs. 5 KStG und erhöhte das Einkommen der Klägerin um EUR (= 5 % von EUR).
Mit dem Einspruch beantragte die Klägerin zugleich eine abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO, die das FA mit Schreiben vom ablehnte.
Den gegen die Änderungsbescheide eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Eine Einlagenrückgewähr könne auch eine Körperschaft in einem anderen Staat der Europäischen Union, wie im Streitfall Österreich, erbringen. Hierfür sehe das Gesetz nach der ab 2006 geltenden gesetzlichen Regelung einen förmlichen Antrag der ausschüttenden Körperschaft beim Bundeszentralamt für Steuern bis zum Ende des Kalenderjahres vor, das dem Jahr der Leistung folgt. Für das hier maßgebliche Jahr 2007 sei ein solcher Antrag bis zum 31. Dezember 2008 indes nicht gestellt worden, obwohl dies der Klägerin als Alleingesellschafterin der ausschüttenden Gesellschaft ohne weiteres möglich gewesen wäre. Für das FA sei entscheidend, dass das Gesetz zur Anerkennung einer Einlagenrückgewähr eine solche Frist vorsehe. Hieran sei das FA gebunden. Über etwaige Verstöße verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Art hätte nur die Judikative, nicht aber das FA als Organ der Exekutive zu befinden.
Mit der hiergegen gerichteten Klage beruft sich die Klägerin weiterhin darauf, die im Jahr 2007 erfolgte Einlagenrückgewähr durch eine EU-Tochterkapitalgesellschaft der Klägerin habe steuerneutral zu erfolgen.
Das FA schließe unter Verweis auf § 27 Abs. 8 KStG die Berücksichtigung einer Einlagenrückgewähr bei einer EU-Tochterkapitalgesellschaft aus, wenn kein gesondertes Feststellungsverfahren beim Bundeszentralamt für Steuern innerhalb einer Ultimofrist durchgeführt worden sei. Dies bedeute aber eine Schlechterstellung von EU-Tochterkapitalgesellschaften gegenüber Drittstaatskapitalgesellschaften, da für diese nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch nach der seit dem Jahr 2006 gültigen Rechtlage eine Einlagenrückgewähr ohne Feststellungsverfahren und ohne Ultimofrist möglich sei. Diese Diskriminierung von EU-Tochterkapitalgesellschaften gegenüber Drittstaatstochterkapitalgesellschaften sei europa- und verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt und widerspreche der Intention des Gesetzgebers bei Erlass der Vorschrift. Zudem würden Mitwirkungspflichten in unzulässiger Weise auf eine ausländische, nicht in Deutschland steuerpflichtige Gesellschaft verlagert.
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