Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtbehelfsbefugnis des Entrichtungsschuldners gegen die Versicherungsteueranmeldung. Sprungklage nach zuvor erhobenem Einspruchs zulässig. Bürgschafts- oder Kautionsversicherung ist kein Versicherungsverhältnis i. S. d. VersStG. keine Versicherungsteuerbefreiung für Kautionsrückversicherungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Entrichtungsschuldner ist zur Anfechtung einer Versicherungsteueranmeldung auch dann befugt, wenn die angefochtene Steuerfestsetzung der Höhe nach den Angaben und der Steuerberechnung durch den anmeldenden Entrichtungsschuldner entsprochen hat.
2. Ein vor Erhebung der Klage (außergerichtlich) eingelegter Einspruch steht der zeitlich nachfolgenden Sprungklage nicht entgegen; vielmehr hat sich der außergerichtliche Rechtsbehelf hierdurch in ein gerichtliches Rechtsschutzverfahren gewandelt.
3. Ein Rückversicherungsverhältnis setzt begrifflich das Bestehen eines weiteren, gleichsam vorgreiflichen Versicherungsverhältnisses voraus. Die Steuerbefreiung für Rückversicherungen nach § 4 Nr. 1 VersStG soll also eine mehrfache Besteuerung desselben Interesses des Versicherers vermeiden, auch wenn der Begriff der Rückversicherung keinesfalls die Steuerpflicht des Erstversicherungsverhältnisses voraussetzt.
4. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 VersStG kann nur auf diejenigen Versicherungsverhältnisse Anwendung finden, die im versicherungsrechtlichen Verständnis auch als Rückversicherung typisiert werden können.
5. Trotz ihrer innerhalb der Versicherungsbranche üblichen Produktbezeichnung handelt es sich bei einer Bürgschafts- oder Kautionsversicherung nicht um ein Versicherungsverhältnis i. S. d. § 1 Abs. 1 VersStG, sondern um eine Dienstleistung, deren rechtlicher Gehalt mit dem Avalgeschäft der Kreditinstitute vergleichbar ist. Eine Kautionsrückversicherung ist daher nicht als Rückversicherung i. S. d. § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit.
Normenkette
VersStG § 4 Nr. 1, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 8 Abs. 1 Nr. 1; EGRL 68/2005 Art. 2 Abs. 1 Buchst. a; AO §§ 167-168, 347; FGO § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zahlung einer Prämie für die Rückdeckung einer so genannten Kautionsversicherung von der Versicherungsteuer befreit ist.
Die Klägerin schloss mit der X – einem Unternehmen der Y Versicherungsgruppe – einen von letzterer am 16. Januar 2008 gegengezeichneten, in englischer Sprache abgefassten und im Original als „Surety Excess of Loss” bezeichneten Vertrag, durch den sie für die Dauer vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2008 Risiken absicherte, die sich für die X aus dem Geschäftsbereich ihres unter der Unternehmensbezeichnung XX auftretenden Geschäftszweigs ergaben. Im Einzelnen verpflichtete sich die Klägerin, innerhalb der vereinbarten betragsmäßigen Grenzen und unter Berücksichtigung des Selbstbehalts der X diejenigen Vermögensschäden zu übernehmen, die letzterer als endgültiger Verlust („Ultimate Net Loss”) innerhalb des vereinbarten zeitlichen Rahmens aus den durch die XX abgeschlossenen, so genannten Kautionsversicherungen, die auch als Bürgschaftsversicherungen bezeichnet werden, entstehen würden (vgl. Chapter III General Conditions, Article 2 des Vertrags vom 16. Januar 2008). Ausweislich der von der Klägerin dem Gericht vorgelegten Werbepräsentation der XX sowie der „Allgemeinen Vertragsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung” handelte es sich bei den in Rede stehenden Kautionsversicherungen um Verträge, die mit Werkunternehmern, vornehmlich im Bau- und im Maschinenbaugewerbe, abgeschlossen wurden. Durch diese Verträge verpflichtete sich die XX den gewerblichen Werkunternehmern gegen Zahlung einer Prämie zur Übernahme von Bürgschaften, die dazu dienen sollten, die werkvertraglich den Auftraggebern zu erbringenden Kautionen oder Garantien abzusichern. Nach den für die Bürgschafts- oder Kautionsversicherung der XX geltenden vertraglichen Konditionen waren die als Versicherungsnehmer bezeichneten Vertragspartner verpflichtet, die Inanspruchnahme der XX aus den übernommenen Bürgschaften möglichst zu vermeiden bzw. die XX spätestens in diesem Zeitpunkt im Innenverhältnis von ihrer Bürgschaftsverpflichtung freizustellen (vgl. Nr. 4 Satz 1 der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung”). Für den Fall der Inanspruchnahme der XX aus einer der übernommenen Bürgschaften waren die als Versicherungsnehmer bezeichneten Werkunternehmer verpflichtet, der XX unverzüglich sämtliche etwa geleisteten Bürgschaftszahlungen nebst Kosten zu erstatten (vgl. Nr. 4 Satz 4 der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung”).
Für den o.g. Vertrag vereinnahmte die Klägerin am 28. Januar 2008 ein Entgelt in Höhe von 247.725 EUR netto zuzüglich eines Betrags von 47.067,75 EUR für die Versicherung...