Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsbetriebsaufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebs. Voraussetzungen des Verpächterwahlrechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Verpächterwahlrecht setzt bei einem landwirtschaftlichen Betrieb voraus, dass die wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet werden oder sonst für eine mögliche Betriebsfortführung zur Verfügung stehen.
2. Geschieht dies nicht, weil ein Teil der wesentlichen Grundlagen des Betriebsvermögens veräußert oder verschenkt wird, so liegt eine Betriebsaufgabe mit der Folge vor, dass die verpachteten Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen überführt werden.
3. Wurde die Hofstelle im Jahr 1974 verkauft, in einer Zeit, in der sowohl der BFH als auch die Finanzverwaltung die Hofstelle zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zählten, kann das Verpächterwahlrecht nicht ausgeübt werden; es liegt eine Zwangsbetriebsaufgabe der Landwirtschaft vor.
Normenkette
EStG §§ 13, 14 S. 2, § 16 Abs. 3, § 21
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 vom 16. Dezember 2014 und der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2016, werden statt der festgestellten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 6.911,40 EUR, Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.682,00 EUR festgestellt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte, das Finanzamt [… F-Stadt], für das Streitjahr 2010 zu Recht Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Klägerin festgestellt hat.
Die Klägerin ist eine Erbengemeinschaft bestehend aus den drei Kindern der Erblasserin, Frau [… SG]. Die Erben haben mit dem Tod ihrer Mutter am […] Februar 2010 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge verpachtete landwirtschaftliche Flächen (Grundstücke der Gemarkung [… XX], FlNrn. [… 123, 456, 789, 890, 891 und 892] erworben.
Die Erblasserin hatte nach dem Tod ihres Mannes die o.g. landwirtschaftlich genutzten Flächen im Jahr 1973 verpachtet. Erster Pächter war [… AA], danach wurden die Flächen an [… BB] und seit 1991 an [… CC] in der Gemeinde [… H-Dorf] verpachtet. Die Hofstelle wurde mit Vertrag vom […] August 1974 veräußert (vgl. Veräußerungsmitteilung vom […] August 1974, […]). Der Tag des Übergangs von Nutzen und Lasten wurde mit dem […] März 1975 angegeben. Spätestens seit 1976 wurden die Einkünfte bei der Erblasserin als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt.
Mit Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung und die Eigenheimzulage für das Jahr 2010 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 5.682,00 EUR.
Der Beklagte folgte der Qualifizierung der Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung nicht, sondern ging von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft aus und ermittelte wegen der daraus folgenden abweichenden zeitlichen Zuordnung bei der Gewinnermittlung einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 6.911,40 EUR.
Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 vom 16. Dezember 2014 stellte er Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Klägerin in Höhe von 6.911,40 EUR fest.
Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 9. November 2016).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, die Landwirtschaft sei bereits 1974 durch die Erblasserin mit dem Verkauf der Hofflächen aufgegeben worden. Somit habe hinsichtlich der verpachteten Grundstücke privates Grundvermögen vorgelegen. Bei der Erblasserin seien die Verpachtungseinkünfte auch jahrzehntelang als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung veranlagt worden. Sie gehe davon aus, dass es seinerzeit zu einer Zwangsbetriebsaufgabe gekommen sei, weil es sich nach dem Verkauf der Hofstelle nicht mehr um eine Verpachtung der gesamten Landwirtschaft habe handeln können. Auf den koordinierten Ländererlass vom 17. Dezember 1965, BStBl II 1966,34, werde verwiesen. Aufgrund des Schreibens des früheren Steuerberaters der Erblasserin vom 2. Februar 1981 ([…]) gehe sie zudem davon aus, dass die Aufgabe für 1974 erklärt worden sei. Allein aus der Veräußerung der Hoffläche hätte sich ein Gewinn von 106.000 DM ergeben, der 1974 zu einer festzusetzenden Einkommensteuer geführt hätte. Wenn nicht bereits der Steuerberater der Erblasserin von sich aus eine Einkommensteuererklärung 1974 abgegeben habe, sei davon auszugehen, dass der Beklagte, der von dem notariellen Vorgang Kenntnis habe erlangen müssen, eine Steuererklärung angefordert habe. Durch die Entnahme sämtlicher Grundstücksflächen habe sich 1974 ...