rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch bei Ableistung eines Freiwilligendienstes
Leitsatz (redaktionell)
1. Leistet ein Kind einen unentgeltlichen Freiwilligendienst in einer sozialen Einrichtung in Costa Rica, besteht kein Anspruch auf Kindergeld, wenn der Träger des freiwilligen sozialen Jahres zwar von der zuständigen Landesbehörde zugelassen, er aber seine Programme zumindest zum Teil nicht nach den Bestimmungen des SozDiG durchführt. Die Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG über die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres ist für Freiwilligenprogramme, die nicht nach den gesetzlichen Voraussetzungen durchgeführt werden, nicht analog anzuwenden.
2. Für einen Kindergeldanspruch reicht es nicht aus, dass das Kind –in Abgrenzung zum schlichten Müßiggang– einer sinnvollen, aber nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfassten Tätigkeit nachgeht und mangels ausreichender eigener Einkünfte/Bezüge des Kindes eine Unterhaltssituation für die Eltern besteht (entgegen Sächsisches FG, Urteil v. 26.2.2004, 5 K 9/01).
3. Eine Tätigkeit im Rahmen des Freiwilligendienstes ist nicht als Berufsausbildung zu qualifizieren.
4. Wird der einjährige Auslandsaufenthalt eines Kindes nur in den ersten zwei Monaten von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet, kann der Auslandsaufenthalt für diese zwei Monate unter dem Gesichtspunkt der Sprachausbildung als Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG qualifiziert werden.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; SozDiG §§ 4, 6 Abs. 1
Tenor
1. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Juli 2006 wird insoweit aufgehoben als hierin die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum August 2005 bis September 2005 aufgehoben und das Kindergeld in Höhe von 308 EUR zurückgefordert wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 10/12 und die Beklagte zu 2/12.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob der von dem Kind durchgeführte Freiwilligendienst den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 d Einkommensteuergesetz (EStG) entspricht oder eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst a) EStG darstellt und deshalb ein Anspruch auf Kindergeld besteht.
I.
Die Klägerin (Klin) ist im öffentlichen Dienst beschäftigt und wird von der Beklagten (die Familienkasse –FK–) besoldet. Die Klin ist die Mutter der am … Mai 1985 geborenen T. T beendete im Juli 2005 ihre Schulausbildung mit dem Abitur. Von August 2005 bis August 2006 leistete T im Rahmen des Programms des X-Vereins einen unentgeltlichen Freiwilligendienst in einer sozialen Einrichtung in Costa Rica. Der Freiwilligendienst wurde vom 22. August 2005 bis 9. September 2005 mit einem Sprachkurs für Spanisch eingeleitet. Daran schloss sich die praktische Tätigkeit in der sozialen Einrichtung (Grundschule für Gehörlose und mehrfach behinderte Kinder) an. T erhielt Unterkunft und Verpflegung, ansonsten aber nur ein Taschengeld. Während ihres Aufenthalts besuchte T ein privates Spracheninstitut, an dem sie 2 Stunden pro Woche Spanischunterricht erhielt.
Die FK hob mit Bescheid vom 25. April 2006 die Kindergeldfestsetzung ab August 2005 auf und forderte für den Zeitraum von August 2005 bis Mai 2006 Kindergeld in Höhe von 1.540 EUR von der Klin zurück. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 06. Juli 2006 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:
- • Die Tätigkeit sei der Arbeit innerhalb eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) gleichzusetzen. Insofern sei die gesetzliche Regelung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 d EStG zumindest analog anzuwenden. Denn wie im gesetzlich geregelten Fall handele es sich um eine ganztägige, regelmäßige soziale Arbeit mit pädagogischer Begleitung, prinzipieller Unentgeltlichkeit und mit Kostenbeteiligung des Freiwilligen (Flug- und Reisekosten). Das Kindergeld sei aus Gründen der Existenzsicherung zu gewähren.
- • Der Freiwilligendienst sei ferner als Teil der späteren Berufsausbildung des Kindes anzusehen. Denn T habe durch den Aufenthalt (einführender Sprachkurs, zusätzlicher privater Spanischkurs, Sprachpraxis) ihre Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache –hier Spanisch–ausgebaut, was wiederum Voraussetzung (internationaler Hintergrund) für das anschließend aufgenommene Studium an der R-Universität (Studienrichtung: International Business Administration, Bachelor) gewesen sei.
Die Klin beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2006 in Gestalt ...