Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Nichtigkeit eines Bescheides wegen zu weit gehender und gegen das Übermaßverbot verstoßender Ermittlungsmaßnahmen. keine Änderung wegen neuer Beweismittel, die erst nach Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids entstanden sind
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu weit gehende Ermittlungsmaßnahmen, die zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht erforderlich sind, begründen einen einfachen Fehler im Verwaltungsverfahren, der den erlassenen Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, jedoch nicht nichtig macht.
2. Beweismittel können nur zu einer Aufhebung oder Änderung nach § 173 AO führen, wenn sie im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Bescheids bereits vorhanden und der Behörde nur nicht bekannt waren.
3. Nachträglich entstandene Beweismittel fallen dagegen nicht unter § 173 AO und – anders als nachträglich entstandene Tatsachen – auch nicht unter § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
Normenkette
AO §§ 125, 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige und zog im März 2010 gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem Sohn S, geboren am 19.10.1997, nach Deutschland mit dem Wohnsitz …. Ihr Sohn D, geboren am 10.04.1995, zog im Juli 2010 in die gemeinsame Wohnung. Die Klägerin beantragte erstmals mit einem bei der Beklagten am 1. Februar 2011 eingegangenen Schreiben für ihre beiden Kinder Kindergeld. In der Folgezeit forderte die Beklagte von der Klägerin folgende Unterlagen an:
- Mit Schreiben vom 11. Februar 2011 forderte sie eine Schulbescheinigung für S und, falls bisher kein Kindergeld gezahlt wurde, eine schriftliche Begründung dafür, warum bisher keine Antragstellung erfolgte. Die Klägerin reichte die Schulbescheinigung nach und teilte mit, dass sie, seit sie in München wohnt, kein Kindergeld bezogen hat, weil sie keine Arbeitserlaubnis hatte. Da sie diese jetzt hat, stellte sie jetzt den Antrag.
- Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 forderte sie den Nachweis über die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Deutschland (Bescheinigung des Arbeitgebers) bzw. bei Selbständigkeit eine Gewerbeanmeldung, eine Kopie des Mietvertrages mit Nachweisen über laufende Mietzahlungen seit 1.3.2010, Nachweise, bis wann und von wem für die Kinder in Bulgarien Kindergeld bezogen wurde und die Mitteilung, wer (die Klägerin oder ihr Ehegatte), wo, wann und bei welcher Firma außerhalb Deutschlands als Arbeitnehmer oder Selbstständiger tätig ist, da entsprechende Angaben im Kindergeldantrag gemacht worden sein sollen (die Frage im Kindergeldantrag lautete, ob der Antragsteller oder sein Ehegatte in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung außerhalb Deutschlands als Arbeitnehmer, Selbstständiger usw. tätig war). Die Klägerin teilte mit, dass in Bulgarien für die Kinder kein Kindergeld bezogen worden sei und weder sie noch ihr Ehegatte außerhalb Deutschlands gearbeitet hätten. Sie legte eine Arbeitgeberbescheinigung vom 4.3.2011 vor, dass sie seit 18.01.2011 im hiesigen Betrieb bis auf weiteres beschäftigt ist sowie einen Mietvertrag ab 1.1.2011 nebst Quittungen über Mietzahlungen.
- Mit Schreiben vom 18. Mai 2011 forderte die Familienkasse die Vorlage des Mietvertrags ab März 2010 bis Dezember 2010 und Nachweise über die Mietzahlungen, Beschäftigungsnachweise für den Zeitraum März 2010 bis Dezember 2010, die Einreichung des Formulars „Auskunftsersuchen E411”, welches für die Klägerin und ihren Ehegatten in Bulgarien zu bestätigen ist, den Abmeldungsbescheid der bulgarischen Sozialversicherung, die Angabe seit wann die Klägerin verheiratet ist, die Angabe, bei welcher Person D vom 1.3.2010 bis 23.7.2010 gelebt hat sowie für das Kind D eine Schulbescheinigung ab Beginn des Schulbesuchs. Bei der Familienkasse ging nur das für die Klägerin von der bulgarischen Behörde ausgefüllte Formular E 411 ein.
- Mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 wurde an die Vorlage der mit Schreiben vom 18. Mai 2011 angeforderten Unterlagen erinnert und mitgeteilt, dass das von der bulgarischen Behörde ausgefüllte Auskunftsersuchen E 411 für den Ehegatten der Klägerin fehlt. Außerdem wurde die Klägerin aufgefordert, die beiliegende Schulbescheinigung für die Kinder D und S bestätigen zu lassen. Die angeforderten Unterlagen wurden nicht vorgelegt.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2011 lehnte die Familienkasse den Kindergeldantrag ab mit der Begründung, dass die erforderlichen Unterlagen und Nachweise nicht vorgelegt wurden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 6. März 2013 stellte die Klägerin erneut einen Kindergeldantrag und fügte eine Bestätigung der bulgarischen Behörde bei, dass in Bulgarien für die Kinder kein Kindergeld bezogen wurde. Erneut forderte die Familienkasse diverse Unterlagen und Bescheinigungen, darunter das Auskunftsersuchen mit dem Vordruck E411, an. Die Klägerin legte wiederum eine Vielzahl von Unterlagen und Nachweise vor, darunter ein Schreiben des C-Zentrums vom 29. April 2013, b...