Entscheidungsstichwort (Thema)
Ein religiöser Bekenntnisakt (hier: zur jüdischen Religionsgemeinschaft) hat nur Rechtswirkung für die Zukunft, soweit die Begründung der Kirchensteuerpflicht damit verbunden ist. Kirchensteuer 1998, 1999
Leitsatz (amtlich)
1. Kirchenangehöriger ist nach dem Freiwilligkeitsprinzip der Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 1 GG nur, wer sich durch eine nach außen hin erkennbare Willensäußerung als der Religionsgemeinschaft zugehörig bekannt hat.
2. Einer Bekenntniserklärung, durch welche eine die Kirchensteuerpflicht auslösende Mitgliedschaft zu einer Religionsgemeinschaft begründet wird, ist nur Wirkung für die Zukunft beizumessen.
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1; KiStG BY Art. 2 Abs. 1; KiStG BY Art. 6 Abs. 3 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Der Kirchensteuerbescheid 1998, 1999 vom 13. Juli 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 17. August 2001 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger wurde 1961 in Israel geboren und ist israelischer Staatsangehöriger. Er kam im August 1985 in die BRD und absolvierte dort ein Betriebswirtschaftsstudium. 1994–1996 war er in … angestellt. Ab 1996 lebt und arbeitet er in … (M.).
Der Kläger, Sohn einer jüdischen Mutter, ist weder beschnitten (s. seine eidesstattliche Versicherung vom 26. März 2002, Bl. 28 FG-Akte), noch hat er jüdisch geheiratet, noch ist er aufgrund eigener Erklärung der zuständigen (IKGM), beigetreten.
Bei seiner Einreise in die BRD und auch später hat er gegenüber den Meldebehörden keine Angaben zur Bekenntniszugehörigkeit gemacht (Schriftsatz vom 17. Juli 2002, Bl. 45 FG-Akte).
Er wurde aber 1987 von seinen Eltern in einem an die IKGM gerichteten Aufnahmeantrag mit angemeldet und dort ab 9. Januar 1987 als Mitglied erfasst. Ferner gab er im Anmeldeblatt zur Aufnahme seiner 1997 geborenen Tochter in den Kindergarten vom 18. Dezember 2000 gegenüber der IKG als Bekenntnis „jüd.” an (Bl. 32 FG-Akte).
Mit Schreiben vom 9. Mai 2001 bat die IKG den Beklagten (das … –KiStA–) um kirchensteuerliche Erfassung.
Das KiStA veranlagte den Kläger daraufhin mit Kirchensteuer(KiSt)-Bescheid vom 13. Juli 2001 (Bl. 3 FG-Akte) zur israelitischen Bekenntnissteuer für die Streitjahre 1998 und 1999 (Steuerschuld insgesamt: 8.784,32 DM).
Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (s. die Einspruchsentscheidung –EE– vom 17. August 2001, Bl. 4 f. FG-Akte).
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, er sei jedenfalls in den Streitjahren kein Mitglied der IKG geworden, da er sich vorher und in diesen Jahren nicht willentlich zur jüdischen Glaubensgemeinschaft bekannt habe.
Wenn man in der Angabe (Dezember 2000) im Anmeldeblatt einen Bekenntnisakt sehen wolle, habe dieser jedenfalls keine Bedeutung für die Vergangenheit (ex tunc), sondern er könne nur für die Zukunft (ex nunc) wirken. Der Senat verweist auf die Schriftsätze vom 24. Oktober 2001, 11. April und 15. Mai 2002.
Der Kläger beantragt,
den KiSt-Bescheid 1998, 1999 vom 13. Juli 2001 und die EE vom 17. August 2001 aufzuheben.
Das KiStA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es tritt in den Schriftsätzen vom 21. Dezember 2001, 7. Mai und 14. Juni 2001 der Argumentation des Klägers entgegen: Nach den Statuten der IKGM genüge für die Zugehörigkeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft die Abstammung von einer jüdischen Mutter. Es mache wenig Sinn, einem Bekenntnisakt nur Wirkung für die Zukunft beizumessen, zumal nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Bekenntnisakt nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem streitigen Veranlagungszeitraum stehen müsse.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
1. In den Streitjahren bestand keine Zugehörigkeit des Klägers zur jüdischen Religionsgemeinschaft mit die KiSt-Pflicht begründender Wirkung.
Nach dem BFH-Urteil vom 24. März 1999 I R 124/97 (BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499) verbietet es Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), als Grundlage für die KiSt-Pflicht eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung heranzuziehen, die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen (bzw. den Willen ihrer gesetzlichen Vertreter) einer Kirchengewalt unterwirft. Im Lichte des Art. 4 Abs. 1 GG ist deshalb der in den staatlichen Kirchensteuergesetzen verwendete Begriff „Kirchenangehöriger” (s. Art. 2 Abs. 1 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes –KirchStG–) verfassungskonform dahin zu interpretieren, dass kirchensteuerpflichtiges Kirchenmitglied nur sein kann, wer sich – persönlich oder durch den gesetzlichen Vertreter – durch eine nach außen hin erkennbare Willensäußerung als der Religionsgemeinschaft zugehörig bekannt hat. Der ...