Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzugsrecht; Versagung des Vorsteuerabzugs wg. Missbrauch
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmer besteht eine Erkundigungspflicht hinsichtlich der Frage, ob der Sitz einer GmbH nur ein Scheinsitz war, nur dann, wenn sich für ihn anhand der Umstände im Einzelfall im Vorfeld der Lieferung Zweifel hieran ergeben mussten. Für die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts trägt letztlich nicht der Stpfl., sondern das FA die objektive Feststellungslast und muss deshalb grundsätzlich konkrete Anhaltspunkte darlegen, die belegen, dass der steuerpflichtige Unternehmer von seiner Einbeziehung in einen USt-Betrug gewusst hat bzw. hätte wissen können oder müssen.
2. Der Unternehmer ist damit entgegen der bisherigen BFH-Rechtsprechung nicht verpflichtet, einen echten "Negativbeweis" dahingehend zu führen, dass er keine Anhaltspunkte für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden oder die Leistung hatte.
Normenkette
UStG §§ 14, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1
Tatbestand
I.
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der N GmbH (im Folgenden N-GmbH).
Die Antragstellerin (Astin.) ist eine GmbH, die einen Einzelhandel mit Neu- und Gebrauchtfahrzeugen führt. Neben direkten Reimporten von polnischen Lieferanten handelte die Astin. im Streitjahr 2009 ab August auch mit Neufahrzeugen der Marke VW, die bereits zuvor als so genannte polnische Re-Importe ins Inland gelangt waren. Diese Fahrzeuge kaufte sie von der N-GmbH, deren eingetragener Geschäftsführer Herr N. O. (O) war. Der erste Kontakt mit der N-GmbH kam zustande, als sich die Astin. über das Internetportal „mobile.de” für einen VW Passat interessierte, der von der Firma X. angeboten worden war, welche aber letztlich nur als Vermittlerin des Verkaufsgeschäfts auftrat.
Am 04.11.2009 führte das Finanzamt C. bei der N-GmbH eine Umsatzsteuer(USt)-Nachschau durch, weil diese bisher keine USt-Voranmeldungen abgegeben hatte. Hierbei wurde festgestellt, dass die N-GmbH unter ihrer Geschäftsadresse A-Str. 9, 00000 C., nicht ansässig und auch nicht bekannt sei. Ein eigener Briefkasten der N-GmbH war nicht vorhanden. Zu finden war aber der Briefkasten einer Firma „Büroservice C.” mit einer Liste von Kunden, die durch diese Firma betreut wurden. Auf dieser Liste sei auch die „N-GmbH / O” vermerkt gewesen. Der Büroservice hatte auf dem Gelände ein Büro / einen Lagerraum angemietet. Anschrift oder Telefonnummer des Büroservice-Unternehmens habe vor Ort nicht ermittelt werden können. Laut Aussage eines Handwerkers werde der Briefkasten 1-2 mal pro Woche geleert.
Daraufhin wurde ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Herren B. T., X. M. und N. P.eingeleitet. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurde am 25.02.2010 Herr W. C., Inhaber der Firma „Büroservice C. „, als Zeuge vernommen. Dieser sagte aus, dass er O die Anschrift A-Str. 9 in C. zur Nutzung für die N-GmbH zur Verfügung gestellt habe. Die Post der N-GmbH sei an die Anschrift „…” in Polen weiterversandt worden. Der Geschäftskontakt sei seinerseits im Dezember 2009 eingestellt worden, da die N-GmbH die vereinbarten Zahlungen nicht mehr geleistet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die Zeugenvernehmung vom 25.02.2010 Bezug genommen. Im Rahmen des o.g. steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden zudem am 18.05.2010 die Geschäftsräume der Astin. durch die Steuerfahndung D. im Wege der Amtshilfe durchsucht und der Geschäftsführer der Astin., Herr V. T., als Zeuge zu den Autokäufen der Astin. von der N-GmbH befragt. Hierbei sagte dieser u.a. aus, dass ihm gegenüber Herr X. M. und ein Herr S im Namen der N-GmbH aufgetreten seien. Mit O selbst habe er z. B. bei Reklamationen telefoniert. Der Erstkontakt mit der N-GmbH sei bei der Suche nach einem Passat über das Internetportal mobile.de entstanden. Unter der Firmierung X. mit Sitz in 00000 Y sei er auf Herrn N. P.gestoßen. Als die Astin. bei Abholung des Fahrzeugs eine Rechnung der N-GmbH erhalten habe, habe der Einkäufer der Astin., Herr U., telefonisch Kontakt zu Herrn N. P. aufgenommen. Dieser habe ihm erklärt, dass der eigentliche Lieferant die N-GmbH sei. Er stehe in verwandtschaftlicher Beziehung zu deren Geschäftsführer O. Herr U. habe dann Kontakt mit O aufgenommen und sich vergewissert, dass die N-GmbH Kenntnis von diesem Geschäft habe und Herr N P auch berechtigt sei, den Kaufpreis entgegenzunehmen. Für weitere Kontaktaufnahmen mit der N-GmbH, die hauptsächlich durch Herrn U. erfolgt seien, seien der Astin. dann eine Mobilfunknummer, und 3 polnische Festnetznummern benannt worden. Der Geschäftskontakt zur N-GmbH sei beendet worden, als O ab kurz vor Weihnachten telefonisch nicht mehr erreichbar gewesen sei. Die Astin. habe vier Fahrzeuge nicht mehr erhalten, obwohl sie diese bereits im Oktober 2009 mit insgesamt 80.000 EUR angezahlt habe. Die Rechnungen hierzu habe sie Ende Dezember überreicht bekommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über d...