Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Steuerbefreiung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielgeräten
Leitsatz (redaktionell)
1. Von der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG werden Erlöse aus dem Betrieb von Geldspielautomaten als "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" nicht erfasst.
2. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung staatlicher Spielbanken und gewerblicher Spielhallenbetreiber begründet keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 GG, da die steuerliche Gesamtsituation von Spielbanken und Spielhallenbetreibern nicht vergleichbar ist.
3. Die Regelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG verstößt ebenfalls nicht gegen Gemeinschaftsrecht, da durch die EuGH-Rechtsprechung geklärt ist, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität auf eine solche Abgabe keine Anwendung findet.
Normenkette
GG Art. 3; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b
Tatbestand
I.
Streitig ist in der Hauptsache, ob § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG in der ab dem 6.5.2006 geltenden Fassung europarechtskonform ist und ob Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in unmittelbarer Anwendung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: Mehrwertsteuersystem-Richtlinie) von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Antragstellerin (Astin.) ist Geldspielautomatenaufstellerin. Sie erzielte im Streitjahr 2007 Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.
In ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung erklärte die Astin. die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten als steuerpflichtige Umsätze. Der Antragsgegner (Ag.) stimmte der Umsatzsteuerjahreserklärung zu und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 12.8.2008 erklärungsgemäß auf 49.709,37 EUR fest. Nachdem die Astin. Einspruch gegen diesen Bescheid eingelegt und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hatte, setzte der Ag. die Umsatzsteuer für 2007 zunächst in voller Höhe von der Vollziehung aus. Die Aussetzung der Vollziehung wurde gewährt bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch.
Mit Bescheid vom 27.6.2012 widerrief der Ag. die gewährte Aussetzung der Vollziehung unter Berufung auf § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO. Mit Schreiben vom 27.7.2012 legte die Astin. Einspruch gegen den Widerruf der Aussetzung der Vollziehung. Mit Einspruchsentscheidung vom 1.8.2012 wies der Ag. den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2007 zurück. Mit weiterem Bescheid vom 1.8.2012 wies der Ag. auch den Einspruch gegen den Widerruf der Aussetzung der Vollziehung zurück. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine weitere Aussetzung der Vollziehung nicht vorlägen, da weder Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden noch die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte. Im Anschluss legte die Astin. fristgemäß Klage den Umsatzsteuerbescheid für 2007 ein. Das Klageverfahren wird unter dem Aktenzeichen 5 K 3017/12 U geführt und ist noch nicht entschieden.
Am 5.11.2012 hat die Astin. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 69 Abs. 4 FGO beim Finanzgericht Münster gestellt. Die Astin. trägt vor, dass in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i) der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie niedergelegt sei, dass die Mitgliedstaaten „Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die vom jeweiligen Mitgliedstaat festgelegt werden”, von der Umsatzsteuer befreien. Der deutsche Gesetzgeber habe in § 4 Nr. 9 Buchstb. b) UStG vorgesehen, dass lediglich Umsätze, die der Besteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz unterliegen, von der Umsatzsteuer befreit seien. Diese Regelung setze die EU-Richtlinie nicht ordnungsgemäß um, da kein Bereich des „sonstigen Glücksspiels mit Geldeinsatz” verbleibe, der nicht der Umsatzsteuer unterliege. Hiermit werde die in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehene Steuerbefreiung faktisch ausgehöhlt. Die EuGH-Entscheidung vom 10.6.2010 in der Rechtssache „Leo-Libera” (C-58/09, Slg 2010, I-5189) und die hierauf ergangene Folgeentscheidung des BFH vom 10.11.2010 (Az. XI R 79/07, BStBl II 2011, 311) stehen der begehrten Aussetzung der Vollziehung nach Auffassung der Astin. nicht entgegen. Bei dem Urteil in der Rechtssache „Leo-Libera” handele es sich nicht um eine Grundsatzentscheidung über die Vereinbarkeit des § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG mit höherrangigem europäischen Recht. Der EuGH habe lediglich die Vorlage des BFH dahingehend beantwortet, dass die Bedingungen und Beschränkungen die Richtlinien nicht soweit einschränken dürfen, dass ihr Ziel aufgegeben werde. Der EuGH habe allerdings nicht entschieden, dass die Erhebung der Umsatzsteuer in Deutschland auf Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten rechtmäßig sei.
Die Rechtswidrigkeit der Erhebung der Umsatzsteuer auf die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten folge daraus, dass es den Betreibern von Glücksspielgeräten nicht möglich sei, die Umsatzsteuer auf ihre Kunden abzuwälzen. Für gewerbliche Spielhallenbetreiber gelte die Spielverordnung (SpielV). Da die von den ...