Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert für den Streit auf Ersatz der Rechtsbehelfskosten im Kindergeldstreit beträgt nur den Wert der tatsächlichen Kosten
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem Hauptsacheverfahren, das gegen die Kindergeldkasse auf Zahlung von Kindergeld für eine bestimmte Zeit gerichtet ist, kommt es für den Anspruch auf Übernahme der Kosten des außergerichtlichen Vorverfahrens nicht zur Anwendung des finanzgerichtlichen Mindeststreitwerts in Höhe von 1.500 €, sondern zur Annahme eines Gegenstandswerts nur in Höhe der tatsächlich beanspruchten Kosten.
Normenkette
EStG § 77; GKG § 52 Abs. 4 Nr. 1, § 66
Tatbestand
I.
Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen den Kostenansatz in der Rechnung der Oberjustizkasse Hamm vom 05.11.2013 für das Verfahren 4 K 3453/13 Kg (§ 66 des Gerichtskostengesetzes – GKG –).
Die Erinnerungsführerin erhob am 25.10.2013 Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit (Familienkasse Nordrhein-Westfalen …) und beanspruchte eine Kostenerstattung für ihre im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen (§ 77 des Einkommensteuergesetzes – EStG –); diese betrugen unstreitig EUR 272,87. Die Erstattung hatte die Familienkasse zuvor in der Einspruchsentscheidung abgelehnt. Das Verfahren wurde unter dem Az. 4 K 3453 /13 Kg geführt. Nach einem richterlichen Hinweis, dass die Klage unzulässig sei, da die Erinnerungsführerin hinsichtlich der Kostenerstattung (noch) kein außergerichtliches Vorverfahren durchgeführt habe, nahm diese die Klage am 28.10.2013 zurück. Im Einstellungsbeschluss vom 29.10.2013 stellte das Gericht fest, dass die Erinnerungsführerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe (§ 136 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Urkundsbeamtin des 4. Senats des Finanzgerichts Münster legte für die Kostenfestsetzung den für Verfahrenseingänge ab dem 01.08.2013 grundsätzlich geltenden Mindeststreitwert von EUR 1.500 zu Grunde (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG n.F.). Auf Grundlage dieses Gegenstandswerts erließ die Oberjustizkasse Hamm am 05.11.2013 eine Gerichtskostenrechnung über EUR 142.
Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrer Erinnerung vom 16.12.2013. Es sei – so die Begründung – nicht der Mindeststreitwert, sondern der Wert anzusetzen, der dem Klageinteresse entsprochen habe. Sie, die Erinnerungsführerin, habe im Verfahren 4 K 3453/13 Kg beansprucht, dass ihr die außergerichtlichen Kosten für die Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten im Einspruchsverfahren in Höhe von insgesamt EUR 272,87 ersetzt würden (§ 77 EStG). Demnach betrüge der Streitwert auch nur EUR 272,87.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
den für die Gerichtskostenrechnung im Verfahren 4 K 3453/13 Kg maßgeblichen Gegenstandswert (Streitwert) von EUR 1.500 auf EUR 272,87 herabzusetzen.
Die Urkundsbeamtin des 4. Senats des Finanzgerichts Münster hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Sie vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Verfahren der Mindeststreitwert von EUR 1.500 Anwendung finde. Es handele sich nicht um ein Verfahren in „Kindergeldangelegenheiten”, sondern vorrangig um ein solches betreffend die Kostentragungspflicht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung, über die der nach § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GKG zuständige Einzelrichter zu entscheiden hat, ist begründet. Die Gerichtskostenrechnung vom 05.11.2013 ist dahingehend abzuändern, dass lediglich ein Gegenstandswert von EUR 272,87 zu Grunde gelegt wird.
In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Zwecks Sicherung der Kostendeckungsquote wird in den Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit bei niedrigen Streitwerten allerdings ein sog. Mindeststreitwert zu Grunde gelegt, der bei Verfahrenseingängen bis zum 31.07.2013 EUR 1.000 betrug (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG a.F.). Durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, 2586) wurde der Mindeststreitwert bei Verfahrenseingängen ab dem 01.08.2013 auf EUR 1.500 angehoben. Ausgenommen von der Mindeststreitwertregelung sind nunmehr allerdings – anders als nach altem Recht – u.a. „Verfahren in Kindergeldangelegenheiten” (vgl. § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG n.F.). Für diese Verfahren bleibt es bei den o.g. allgemeinen Grundsätzen. Die kostenmäßige Privilegierung der Kindergeldangelegenheiten erfolgte aus sozialpolitischen Erwägungen (BT-Drs. 17/11471, 246). Kläger, die regelmäßig auf Kindergeldzahlungen angewiesen sind, sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers dann nicht mit hohen Gerichtskosten belegt werden, wenn sie lediglich einen Zahlungsanspruch für einen begrenzten Zeitraum geltend machen, der unterhalb des Mindeststreitwerts liegt; gleiches gilt bei der Anfechtung von (geringen) Rückzahlungsansprüch...