Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Kindern bei Hinausschieben des Ausbildungsbeginns
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c) EStG ist auch dann gegeben, wenn dem Kind ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien-, oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann.
2) Dies gilt auch dann , wenn das Kind in den Monaten, in denen es auf einen Ausbildungsplatz wartet, einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht.
3) Schiebt das Kind auf eigenen Wunsch den Ausbildungsbeginn hinaus, ist es in den Monaten, in denen es die Ausbildung auch aus schul-, studien-, oder betriebsorganisatorischen Gründen nicht hätte antreten können, gleichwohl zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger für seine am 21.03.1989 geborene Tochter A für September bis Dezember 2009 Kindergeld zu gewähren ist.
A, die im Juli 2007 Herrn G geheiratet hat, hat im Juli 2008 eine Ausbildung als Arzthelferin abgeschlossen. Danach arbeitete sie zunächst Vollzeit im erlernten Beruf. Noch während ihrer Ausbildung bewarb sie sich um einen Studienplatz am Bibelseminar B. Dieser wurde ihr mit Schreiben vom 18.04.2008 (Bl. 121 der Kindergeldakte – KgA –) für das am 02.03.2009 beginnende Sommersemester 2009 zugesagt. Ausweislich des vorgenannten Schreibens wäre der Studienbeginn auch schon zum Wintersemester 2008 mit Beginn 22.09.2008 möglich gewesen, jedoch hatte A als Einstiegswunsch das Sommersemester 2009 angegeben. Diesen Einstiegswunsch änderte sie später auf das Wintersemester 2009 um. Das Bibelseminar B bestätigte die Ummeldung auf das Wintersemester 2009 mit Schreiben vom 27.11.2008 (Bl. 120 KgA). Das Schreiben bezog sich auch auf den Ehemann von A, welcher sich ebenfalls um einen entsprechenden Studienplatz beworben hatte.
Ihrer Vollzeittätigkeit ging A bis Juli 2009 nach. Vom 01.08. – 20.09.2009 bezog sie Arbeitslosengeld i.H.v. 809,50 EUR. Am 21.09.2009 nahm sie das Studium am Bibelseminar B auf. Für die Monate September bis Dezember 2009 erhielt sie BAFöG i.H.v. 482 EUR/Monat (insg. 1.928 EUR)
Ihr Ehemann nahm ebenfalls im September 2009 das Studium am Bibelseminar B auf. Er war bis August 2009 nichtselbständig tätig. Sodann bezog er Arbeitslosengeld i.H.v. 792,20 EUR und für September bis Dezember 2009 BAFöG i.H.v. 2.236 EUR.
Die Lohneinkünfte der Ehegatten verteilten sich wie folgt:
|
Ehemann |
|
|
A |
|
|
Gehalt |
brutto |
SozVers |
Steuern |
brutto |
SozVers |
Steuern |
Jan 09 |
2.665,00 EUR |
546,99 EUR |
161,50 EUR |
1.480,00 EUR |
303,77 EUR |
382,78 EUR |
Feb 09 |
2.665,00 EUR |
546,99 EUR |
161,50 EUR |
1.540,00 EUR |
316,09 EUR |
403,88 EUR |
Mrz 09 |
2.665,00 EUR |
546,99 EUR |
161,50 EUR |
1.540,00 EUR |
316,08 EUR |
403,88 EUR |
Apr 09 |
2.665,00 EUR |
546,99 EUR |
161,50 EUR |
1.520,00 EUR |
311,98 EUR |
385,64 EUR |
Mai 09 |
2.665,00 EUR |
546,99 EUR |
161,50 EUR |
1.520,00 EUR |
311,98 EUR |
394,04 EUR |
Juni 09 |
2.665,00 EUR |
546,99 EUR |
161,50 EUR |
1.520,00 EUR |
311,98 EUR |
394,04 EUR |
Juli 09 |
2.665,00 EUR |
539,00 EUR |
161,50 EUR |
1.620,00 EUR |
327,65 EUR |
429,91 EUR |
Aug 09 |
2.665,00 EUR |
539,00 EUR |
161,50 EUR |
– |
– |
– |
|
21.320,00 EUR |
4.359,94 EUR |
1.292,00 EUR |
10.740,00 EUR |
2.199,53 EUR |
2.794,17 EUR |
Mit Antrag vom 02.06.2009 (Bl. 116 KgA) hat der Kläger für seine Tochter A Kindergeld beantragt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 05.02.2010 (Bl. 165 KgA) für den Zeitraum Januar 2009 bis Dezember 2009 abgelehnt unter Hinweis darauf, dass die Einkünfte und Bezüge von A den Grenzbetrag von 7.680 EUR übersteigen würden.
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 EStG nur in den Monaten September bis Dezember erfüllt gewesen seien und deshalb auch nur die in diesen Monaten erzielten Einkünfte und Bezüge bei der Grenzbetragsberechnung zu berücksichtigen seien. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte hielt daran fest, dass auch die Einkünfte der Monate Januar bis August in die Grenzbetragsberechnung einzubeziehen seien, da A die Zusage für den Studienplatz schon am 27.11.2008 bekommen habe und somit Bewerberin um eine berufliche/schulische Ausbildungsstelle gewesen sei.
Im Klageverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er stellt klar, dass er nur Kindergeld für die Monate September bis Dezember 2009 begehrt. In den Monaten Januar bis August fehle der Bezug zur Ausbildung, da A Vollzeit als Arzthelferin gearbeitet habe. Die in diesen Monaten erzielten Einkünfte seien daher auch nicht in die Grenzbetragsberechnung einzubeziehen.
Dass A den Studienbeginn auf das Wintersemester 2009 verschoben habe, liege daran, dass sie nachträglich erfahren habe, dass sie im Sommersemester 2009 nur in das zweite Semester hätte eintreten können und mithin den Lernstoff des ersten Semesters hätte nachholen müsse...