Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts; Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, Anwendungsvorrang
Leitsatz (redaktionell)
1.) Eine Universität wird weder durch die entgeltliche Überlassung von Räumlichkeiten, Apparaten, Material und Personal an Hochschulbedienstete noch durch die entgeltliche Gestattung der Aufstellung von Automaten gegen Entgelt im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art i.S.v. § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG tätig und handelt deshalb insoweit umsatzsteuerrechtlich nicht als Unternehmerin.
2.) § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG und dessen Verweisung auf § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG ist konform zu Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie (nunmehr Art. 13 Richtlinie 2006/12/EG) dahingehend auszulegen, dass an die Form und Qualität der Rechtsvorschriften anzuknüpfen ist, auf deren Grundlage die Tätigkeit ausgeübt wird (Abweichung von der BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH v. 29.10.2008 - I R 51/07).
3.) Der nationale Gesetzgeber hat Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie (nunmehr Art. 13 Richtlinie 2006/12/EG) nicht hinreichend in nationales Recht umgesetzt, als dass das Korrektiv der "Wettbewerbsverzerrung" in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nicht enthalten ist. Eine insoweit richtlinienkonforme Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG ist nicht möglich. Beruft sich der Steuerpflichtige in diesem Fall auf die für ihn günstigere nationale Regelung, besteht kein Anwendungsvorrang der EG-Richtlinie.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4; 6. EG-Richtlinie Art. 4 Abs. 5; Richtlinie 2006/12/EG Art. 13; UStG § 2 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin steuerbare und -pflichtige Umsätze getätigt hat.
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. […]
Für die Streitjahre 1993 und 1994 reichte sie USt-Erklärungen ein, in denen sie jeweils nur steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe (§ 1a UStG) erklärte. Die festzusetzende Umsatzsteuer betrug danach für 1993 XXX DM (= XXX EUR) und für 1994 XXX DM (= XXX EUR). Die Erklärungen wurden erklärungsgemäß verarbeitet.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung machte der Prüfer u.a. folgende Prüfungsfeststellungen:
Tz.16: Provisionen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kopier-, Spiel- und Getränke- sowie Zwischenverpflegungsautomaten durch Fremdunternehmer sind in folgender Höhe der USt zu unterwerfen:
1993: XXX DM (netto)
1994: XXX DM
Tz. 18: Die Klägerin hat im Prüfungszeitraum pauschalierte Nutzungsentgelte aus selbständiger ärztlicher bzw. nichtärztlicher Nebentätigkeit von Hochschulbediensteten gem. §§ 16, 17 der Verordnung über die Nebentätigkeit des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulnebentätigkeitsverordnung – HNtV – vom 11.12.1981 i.d.F. vom 19.11.1993) für die Überlassung von Räumlichkeiten und Einrichtungen, Apparaten und Material sowie Hilfspersonal in folgender Höhe vereinnahmt:
|
1993 |
1994 |
Ingenieur- und naturwissenschaftl. Bereich |
XXX DM |
XXX DM |
Medizinische Fakultät |
XXX DM |
XXX DM |
Insgesamt |
XXX DM |
XXX DM |
Allgemein genehmigte bzw. genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten des wissenschaftlichen Personals der Hochschule sind nach Feststellungen des Prüfers u.a auf folgenden Gebieten ausgeübt worden:
- Erstellung von Gutachten einschl. Untersuchungen und Berechnungen
- Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, deren Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht werden
- Herausgabe sowie Schriftleitung wissenschaftlicher Veröffentlichungen
- Lehrtätigkeit an anderen Hochschulen einschl. Erarbeitung von Studienmaterial etc.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass diese Einnahmen der Umsatzbesteuerung zuunterwerfen seien. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheitnach § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG lägen nicht vor, […]. Die der Klägerin in den Fachbereichen X, Y, Z und Q aus der Unterhaltung klinisch-theoretischer Bereiche erwachsenden Einnahmen im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit von Hochschulbediensteten hätten ihren Grund nicht im laufenden Betrieb vorbezeichneter Einrichtungen als solche,sondern seien eine Folge der der Klägerin als Hochschule zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben auf dem Gebiet der Forschung und Lehre.
Der Prüfer ging letztendlich – mangels Angaben der Klägerin – von steuerpflichtigen Umsätzen in Höhe von 80 v.H. der vorgenannten Zahlen aus (1993: XXX DM und 1994:XXX DM Bruttoumsätze) und unterwarf diese der Umsatzbesteuerung.
Hinsichtlich der weiteren – vorliegend nicht strittigen – Prüfungsfeststellungen wird aufden Prüfungsbericht vom 14. November 1996 Bezug genommen.Entsprechend den Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 14. Mai 1997 geänderte USt-Bescheide für 1993 (USt: XXX DM) und 1994 (USt: XXX DM).
Der Einspruch der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als der Beklagte hinsichtlich der weiteren Prüfungsfeststellungen (Tz. 13.2, 14, 15 und 17 des Berichts) in der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2003 den Einspruc...