Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit von psychotherapeutischen Leistungen
Leitsatz (redaktionell)
1) § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG ist nicht mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vereinbar.
2) Psychotherapeutische Leistungen einer Klinik, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht erfüllt, können gleichwohl gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL umsatzsteuerfrei sein.
Normenkette
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. b; UStG § 4 Nr. 14 Buchst. b
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die im Streitjahr 2009 von der Klägerin im Rahmen von Krankenhausbehandlungen durchgeführten psychotherapeutischen Leistungen umsatzsteuerfrei sind.
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt eine Klinik für Psychotherapie. Das Leistungsspektrum der Klägerin umfasst die Behandlung verschiedener psychischer Krankheitserscheinungen wie der Angst, von Asperger, Essstörungen, Depressionen, Panikstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen sowie Sucht und Zwang. Die Leistungen werden insbesondere in vollstationärer Form erbracht und umfassen die ärztliche Behandlung auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Medizin, der Krankenpflege, der Versorgung mit Arzneimitteln sowie Unterkunft und Verpflegung. Die Patienten werden zur Behandlung in Einzelzimmern mit Bad, Balkon, Fernseher und Telefon untergebracht. Die zur Betriebsprüfungsakte des Beklagten genommene Broschüre der Klägerin, auf die Bezug genommen wird, enthält eine exemplarische Abbildung eines Patientenzimmers. Die Klinik steht unter ärztlicher Leitung.
Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, unter der vormaligen Firma C mbH, vom 27.11.1992 (UR-Nr. …/1992 des Notars I) ist
„(1) Gegenstand des Unternehmens […] die Anwendung wissenschaftlicher Methoden der Klinischen Psychologie in der Krankenbehandlung, in der Forschung und in der Aus- und Weiterbildung durch den Betrieb entsprechender klinischer Einrichtungen zur stationären und ambulanten Krankenversorgung.
[…]
(3) Das Unternehmen strebt einen wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch und eine Kooperation auf dem Gebiet der klinisch-psychologischen Forschung mit der D-Stiftung, N, auf einer seitens der Stiftung selbstlosen und gemeinnützigen Basis an.”
Die Klägerin war für den Streitzeitraum weder in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden noch hatte sie einen Versorgungsvertrag i. S. von § 108 Nr. 3 des fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) abgeschlossen. Sie erwirtschaftete seit ihrer Gründung weder Gewinne noch wurde sie kostendeckend tätig. Ausweislich des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer vom 22.7.2010 erhöhte sich der steuerliche Verlust von … EUR zum 31.12.2008 laut Steuerbescheid für 2009 um weitere … EUR. Der im Streitzeitraum bestellte Geschäftsführer und leitende Arzt der Klägerin erhielt 2007 eine Vergütung i. H. von … EUR und in 2008 eine Vergütung i. H. von … EUR. Die weiteren angestellten Ärzte und Psychologen erhielten Vergütungen unterhalb von … EUR; die überwiegende Anzahl deutlich unterhalb dieser Grenze. Ausweislich des Kontennachweises zur Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin für das Jahr 2009 betrugen die Aufwendungen für Gehälter … EUR und für Sozialabgaben … EUR. Für Rechtsberatung wurden … EUR und an Zinsen aufgrund von langfristigen Verbindlichkeiten … EUR bezahlt.
In den Jahren 2006 bis 2009 lag der Anteil der gesetzlich versicherten Patienten, die sich bei der Klägerin einer Krankenhausbehandlung unterzogen, zwischen 34 % und 47 %. Im Streitjahr erzielte sie 35 % ihrer Umsätze mit Leistungen gegenüber gesetzlich krankenversicherten Personen, ca. 24 % mit Leistungen gegenüber Beihilfeberechtigten und ca. 40 % mit Leistungen gegenüber allein privat krankenversicherten Personen. Die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten wurden durch die Sozialversicherungsträger, d. h. insbesondere den Krankenkassen, überwiegend vollständig oder mit Abschlägen getragen. Die Krankenkassen erstatteten den gesetzlich versicherten Patienten die Kosten auf der Grundlage von § 13 SGB V. In dem auf das Streitjahr folgende Jahr 2010 betrug der Anteil behandelter gesetzlich versicherter Patienten am Umsatz 37,85 %, in 2011 31,11 %, in 2012 40,21 % und in 2013 44,50 %.
In der am 7.7.2010 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2009 erklärte die Klägerin u. a. steuerpflichtige Umsätze i. H. von … EUR, steuerfreie Umsätze i. H. von …. EUR und einen Umsatzsteuerbetrag i. H. von … EUR. Aufgrund geleisteter Vorauszahlungen ergab sich ein Erstattungsanspruch i. H. von … EUR. Dieser Erklärung stimmte der Beklagte mit Mitteilung vom 19.7.2010 zu.
Der Beklagte führte im März 2010 für die Jahre 2006 bis 2009 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Unter Ziffer 2.2 des Berichts über die Außenprüfung vom 3.9.2010, auf den verwiesen wird, wurden die folgenden Feststellungen getroffen: Die Umsätze der Jahre 2006 bis 2008 seien ...