Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorbehaltsnießbrauch am übertragenen Einzelunternehmen, rechtsirrige Annahme gewillkürten Betriebsvermögens. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: X R 35/19)
Leitsatz (redaktionell)
1) Die unentgeltliche Betriebsübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG (§ 7 Abs. 1 EStDV a.F.) setzt die Einstellung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit des Übergebers voraus.
2) Behält sich der Unternehmer den Nießbrauch am Gewerbebetrieb bei dessen Übergabe vor und übt er weiterhin seine bisherige gewerbliche Tätigkeit aus, erfolgt eine zeitlich gestaffelte Betriebsübergabe. Zunächst wird das Eigentum an dem Betrieb übertragen und später aufgrund der Beendigung des Nießbrauchs die eigene gewerbliche Tätigkeit des Übernehmers ermöglicht. Mit der Betriebsübertragung kommt es zur gewinnrealisierende Betriebsaufgabe bzw. Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Übertragenden (Nießbrauchers).
3) Erfolgt der Ausweis eines Wirtschaftsguts als gewillkürtes Betriebsvermögen in der rechtsirrigen Ansicht, dass die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG vorliegen, liegt darin keine bewusste Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen. Das Wirtschaftsguts rechnet dann zum steuerlichen Privatvermögen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 3 S. 1; EStDV a.F. § 7 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuer-Bescheide für 2004 bis 2008 und der Gewerbesteuer-Messbetrags-Bescheide für 2005 bis 2008.
Der Kläger lebt von seiner Ehefrau seit … dauernd getrennt und wird zur Einkommensteuer einzeln veranlagt. Er erzielte in den Streitjahren neben den streitbefangenen Einkünften aus Gewerbebetrieb aus dem Erlebnispark X. (im Folgenden: X-Park) in D., Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der Y-GmbH (im Folgenden: Y-GmbH), deren Alleingesellschafter er war, Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Den Erlebnispark hatten die Eltern des Klägers bis 1994 in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführt. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1994 führte seine Mutter (im Folgenden bezeichnet als M) den Betrieb alleine fort. Die GbR und M erzielten mit dem Erlebnispark jeweils Einkünfte aus Gewerbetrieb.
Der Kläger schloss mit M unter dem 15.12.1995 einen „Hofübergabevertrag mit Auflassung” ab. Der Vertrag hatte folgenden (auszugsweisen) Inhalt: „….
M – im nachfolgenden Übertragsgeberin – ist Eigentümerin des im Grundbuch …. eingetragenen Hofes im Sinne der Höfeordnung zur Größe von ca. … Hektar. Dieser Hof soll heute auf … (den Kläger) – nachstehend Übertragsnehmer – im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Eigentum übertragen werden. …
§ 1
Die Übertragsgeberin überträgt ihrem Sohn … den im Grundbuch … verzeichneten Hof im Sinne der Höfeordnung. Der Hof wird übertragen mit allen landwirtschaftlich und gewerblich genutzten Gebäuden sowie mit allen Aktiven und Passiven laut Buchführung und Bilanz sowie mit allen im Grundbuch verzeichneten Lasten. Dem Übertragsnehmer sind die Lasten bekannt. …
§ 3
Die Überträgerin behält sich den lebenslänglichen Nießbrauch an dem übertragenen Hof und dem Hofesvermögen vor. Schuldrechtlich ist bestimmt, dass der Nießbrauch unentgeltlich gewährt wird. Die Nießbraucherin hat jedoch alle Aufwendungen auf den Grundbesitz zu tragen, die nach dem Gesetz dem Eigentümer obliegen, insbesondere auch Großreparaturen und solche Aufwendungen, die auf den Stammwert der Sache angelegt sind. Im Rahmen des Nießbrauchs hat die Übertragsgeberin auch die vorhandenen Darlehen zu bedienen einschließlich Tilgung und Verzinsung. Die Übertragsgeberin bewirtschaftet den Hof weiter und trägt dessen Lasten; sie soll so behandelt werden wie ein wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des Einkommensteuergesetzes. …
§ 4
Der Übertragsgeberin steht es frei, jederzeit auf den Nießbrauch zu verzichten und stattdessen die Einräumung des hierzulande üblichen Altenteils zu verlangen. … Als Baraltenteil ist ein monatlicher Geldbetrag … von … DM zu gewähren. … Die Abänderbarkeit der Altenteilsleistungen gemäß § 323 ZPO wird ausdrücklich vereinbart. …
§ 6
Im Falle des Vorversterbens des Übertragsnehmers fällt das Eigentum an dem Hof an die Übertragsgeberin zurück. Dieser Anspruch soll durch Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung gesichert werden. Demnach bewilligen und beantragen …
§ 7
Die Übergabe des Grundbesitzes erfolgt zum 31.12.1995. Mit der Übergabe geht, soweit nicht der Vorbehalt des Nießbrauchs etwas anderes bewirkt, die Gefahr sowie die Nutzungen und Lasten des übertragenen Hofesvermögens auf den Übertragnehmer über. …
§ 8
Die Erschienen erklärten sodann folgende Auflassung: …”
Steuerliche bzw. bilanzielle Folgerungen wurden aus dem Hofübergabevertrag vom 15.12.1995 von M und dem Kläger zum 31.12.1995/01.01.1996 nicht gezogen.
Der Kläger und M schlossen am 16.03.1996 einen Änderungsvertrag, nach dem M nunmehr mit schuldrechtlicher Wirkung auf den Zeitpunkt der Erreichung ihres 65. Lebensjahres auf ihr Nießbrauchsrech...