Entscheidungsstichwort (Thema)
Erste Tätigkeitsstätte bei Auslandssemester. Finanz- und Abgaberecht
Leitsatz (redaktionell)
Ein in Deutschland eingeschriebener Student kann für die Zeit eines Auslandssemesters oder eines Auslandspraktikums mit Entgeltzahlung keine Kosten wegen doppelter Haushaltsführung geltend machen, da er am Auslandsort seine erste Tätigkeitsstätte hat.
Zur Höhe der Anrechnung der Zahlungen nach dem BAföG auf vorweggenommene Werbungskosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, Abs. 4 Sätze 1, 8, § 3c Abs. 1, §§ 11, 9 Abs. 6 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, wo sich die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin während der Zeiträume eines Auslandssemesters bzw. eines Auslandspraktikums befunden hat.
Die Klägerin begann nach dem Abschluss einer anderen Ausbildung zum Wintersemester 2012/13 mit dem Studium International Business an der Fachhochschule (FH) B-Stadt. Nach der Bachelorprüfungsordnung der FH B-Stadt sind für diesen Studiengang zwei Auslandssemester sowie ein Auslandspraxissemester vorgesehen. Die Klägerin absolvierte die beiden Auslandssemester im Wintersemester 2014/15 und im Sommersemester 2015 in E-Stadt (Ausland) und im Anschluss daran ein Praxissemester in M-Stadt (Ausland). In diesem Praxissemester war sie nach eigenen Angaben in Vollzeit bei einer Au-Pair-Agentur tätig, wobei ihr ein Büroarbeitsplatz zur Verfügung gestellt wurde. Hierfür erhielt sie im Streitjahr 2015 einen Arbeitslohn in Höhe von umgerechnet 2.416 €.
Während des gesamten Studiums, auch während der Auslandsaufenthalte, behielt die Klägerin ihren Wohnsitz in der Wohnung ihrer Eltern in C-Stadt (Inland) bei. Hierbei handelt es sich um eine Vierzimmerwohnung mit Küche und Bad, deren Miete und Nebenkosten von den Eltern getragen wurden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich dort in den Streitjahren 2014 und 2015 der Lebensmittelpunkt der Klägerin befunden hat.
Ferner bezog die Klägerin für die Monate September 2014 bis Mai 2015 Leistungen nach dem BAföG. Der monatliche Bedarf setzte sich wie folgt zusammen:
Grundbedarf |
597,00 € |
Reisekosten |
55,56 € |
Auslandszuschläge |
29,29 € |
Ausbildungsgebühr im Ausland |
511,12 € |
Gesamtbedarf |
1.192,97 € |
Unter Anrechnung des Einkommens und Vermögens der Eltern der Klägerin ergaben sich daraus monatliche Auszahlungsbeträge in Höhe von 735 € für September 2014 und in Höhe von jeweils 447 € für die Monate Oktober 2014 bis Mai 2015. Der Auszahlungsbetrag für September 2014 wurde in Höhe von 111,94 € als unverzinsliches Darlehen und im Übrigen als Zuschuss gewährt. Die übrigen Beträge wurden in vollem Umfang als Zuschuss gewährt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die BAföG-Bescheide (Bl. 47 und 48 der Einkommensteuerakte) Bezug genommen. Die Zahlungen wurden jeweils zum Monatsende für den Folgemonat an die Klägerin überwiesen. Die Überweisung für den Monat Januar 2015 in Höhe von 447 € erfolgte am 29.12.2014.
Darüber hinaus erhielt die Klägerin eine Studienförderung durch die D-Stiftung in Höhe von jeweils 800 € in 2014 und 2015. Wegen der Einzelheiten wird auf die Zusagen der Stiftung (Bl. 55 und 56 der Einkommensteuerakte) Bezug genommen.
In ihren Einkommensteuererklärungen für 2014 und 2015 machte die Klägerin folgende Werbungskosten geltend:
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2014 |
2015 |
Werbungskosten gesamt |
15.697 € |
18.071 € |
hiervon entfielen auf: |
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Anschaffung eines Koffers |
113 € |
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Wohnung E-Stadt (Ausland) |
1.937 € |
2.375 € |
Mehraufwendungen für Verpflegung E-Stadt (Ausland) |
4.886 € |
5.964 € |
Wohnung M-Stadt (Ausland) |
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2.525 € |
Mehraufwendungen für Verpflegung M-Stadt (Ausland) |
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4.598 € |
Der Beklagte setzte für beide Streitjahre die Einkommensteuer mit jeweils 0 € fest.
Daneben erließ er einen Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 unter Berücksichtigung eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte für 2014 in Höhe von 5.885 € und des auf den 31.12.2013 festgestellten Verlustvortrags (3.644 €) in Höhe von 9.529 €. Dabei erkannte er für 2014 die Kosten für die Wohnung und die Mehraufwendungen für Verpflegung in E-Stadt (Ausland) sowie für die Anschaffung des Koffers nicht an und zog von den verbleibenden Werbungskosten Leistungen nach dem BAföG in Höhe von 2.076 € sowie die Zuschüsse von der Stiftung in Höhe von 800 € ab.
Für 2015 erkannte er die geltend gemachten Mietkosten und Verpflegungsmehraufwendungen für E-Stadt (Ausland) und M-Stadt (Ausland) nicht an und rechnete Leistungen nach dem BAföG in Höhe von 1.788 € sowie Zuschüsse der Stiftung in Höhe von 800 € entgegen, so dass keine berücksichtigungsfähigen Werbungskosten mehr verblieben. Den auf den 31.12.2015 verbleibenden Verlustvortrags stellte der Beklagte mit 8.113 € fest, wobei er von dem auf den 31.12.2014 festgestellten Verlustvortrag (9.529 €) den um den Arbeitnehmerpauschbetrag geminderten Arbeitslohn (1.416 €) abzog.
Zur Begründung für die Nichtanerkennung der Werbungskosten führte der Beklagte aus, dass die Fortbildungsstätten in E-Stadt (Ausland) und M-Stadt (Ausland) ...