Entscheidungsstichwort (Thema)
Der Besuch der Jungarbeiterklasse im Rahmen der Schulpflicht begründet einen Anspruch auf Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Besucht ein über 18 Jahre aber noch nicht 27 Jahre altes Kind ohne Ausbildungsplatz zur Erfüllung seiner Schulpflicht die sog. Jungarbeiterklasse der Berufsschule, so wird es auch dann im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG für einen Beruf ausgebildet, wenn die Unterrichtszeit lediglich einmal wöchentlich 8 Schulstunden beträgt. Die Schulpflicht und der fehlende Einfluss des Kindes auf die Dauer des angebotenen Unterrichts verbieten es, in solchen Fällen eine Mindestgrenze von 10 Unterrichtsstunden pro Woche als Voraussetzung für die Anerkennung einer ernsthaft betriebenen Ausbildung zu fordern.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Kindergeldanspruch des Klägers für seinen Sohn A für Oktober 2003 bis Juli 2004.
Der am 16.09.1985 geborene Sohn des Klägers besuchte im Schuljahr 2003/2004 die Jungarbeiterklasse der Staatlichen Berufsschule 1. Die Unterrichtszeit betrug 8 (Schul-)Stunden pro Woche. Mit Antrag vom 06.10.2005 beantragte der Kläger für seinen Sohn A Kindergeld.
Mit Bescheid vom 15.02.2006 setzte die Beklagte Kindergeld für A ab August 2004 fest und lehnte eine Kindergeldfestsetzung für Oktober 2003 bis Juli 2004 mit der Begründung ab, der Besuch der Jungarbeiterklasse in diesem Zeitraum stelle keine Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 EStG dar.
Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.04.2006 wies ihn die Beklagte als unbegründet zurück. Durch den Besuch der Jungarbeiterklasse an der Staatlichen Berufsschule 1 seien die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nicht erfüllt worden. Das Kind sei im Streitzeitraum auch nicht beim Arbeitsamt bzw. einer Agentur für Arbeit arbeits- oder ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen, jedenfalls habe kein Nachweis über eine entsprechende Meldung geführt werden können.
Die dagegen erhobene Klage wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger habe einen Anspruch auf Kindergeld für die strittigen Monate nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2a und c EStG.
Der Sohn des Klägers habe in der Zeit von Oktober 2003 bis Juli 2004 die Jungarbeiterklasse besucht, da eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG trotz mehrfacher Bewerbungen nicht möglich gewesen sei. Er sei allen Hinweisen und Aufforderungen der Beklagten nachgekommen, insbesondere habe er auf Initiative der Beklagten hin die Jungarbeiterklasse besucht. Außerdem sei er bei der Beklagten im Inland als Arbeitssuchender gemeldet gewesen, was die Ehefrau des Klägers als Zeugin bekunden könne.
Die Beklagte irre, wenn sie eine tatsächliche Unterrichts- und Ausbildungszeit von zehn Wochenstunden für eine Berücksichtigung des Besuchs der Jungarbeiterklasse als Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG voraussetzt. Unabhängig davon, dass im Streitfall eine solche Inanspruchnahme des Kindes vorgelegen habe, sei dem Gesetz eine derartige Tatbestandsvoraussetzung nicht zu entnehmen.
Für den Kläger wird beantragt, unter Änderung des Bescheids vom 15.02.2006 und der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2006 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für seinen Sohn A für die Monate Oktober 2003 bis Juli 2004 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Für die Beklagte wird Klageabweisung beantragt und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Unterrichtsdauer habe im Streitfall 8 Stunden wöchentlich betragen. Voraussetzung für eine Berücksichtigung als Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG sei u.a., dass die Ausbildung Zeit und Arbeitskraft des Kindes dermaßen in Anspruch nimmt, dass ein greifbarer Bezug zu dem angestrebten Berufsziel hergestellt wird und Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit ausgeschlossen erscheinen. Als ausreichend hierfür könne eine tatsächliche Unterrichts- und Ausbildungszeit von 10 Wochenstunden anerkannt werden. Eine tatsächliche Unterrichts- und Ausbildungszeit von weniger als 10 Wochenstunden könne nur dann als ausreichend anerkannt werden, wenn Umstände bestehen, nach denen der zusätzliche ausbildungsbezogene Zeitaufwand über das übliche Maß hinausgeht, wobei üblich ein Zeitaufwand für häusliche Vor- und Nacharbeit sei, welcher der Dauer der Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit entspricht, sowie ein Zeitaufwand für den Weg von und zur Ausbildungsstätte bis zu einer Stunde für die einfache Wegstrecke. Weniger als 10 Wochenstunden seien auch dann ausreichend, wenn die besondere Bedeutung der Maßnahme für das angestrebte Berufsziel dies rechtfertige. Umstände, die im Streitfall ein Unterschreiten dieser Grenze zulassen würden, seien nach Aktenlage nicht gegeben.
Das Kind sei auch nicht nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen, da es im strittigen Zeitpunkt nach Aktenlage nicht bei einer Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet gewesen sei. Die Beklagte hat...