Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende ladungsfähige Anschrift des Klägers

 

Leitsatz (amtlich)

Die fehlende Bezeichnung des Klägers unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift, also des tatsächlichen Wohnorts führt - außer in Fällen der Unzumutbarkeit der Benennung - zur Unzulässigkeit der Klage.

Erhebliche Gründe für eine Vertagung einer Verhandlung liegen nicht vor, wenn der Prozessbevollmächtigte auf die mehr als 2 Monate vor der mündlichen Verhandlung erfolgte Aufforderung des Gerichts, eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen, untätig bleibt und trotz telefonischer Erörterung am Vortag der mündlichen Verhandlung mit dem Berichterstatter und in der mündlichen Verhandlung selbst und trotz zwischenzeitlicher Telefonate mit dem Kläger in Kenntnis der Zulässigkeitsproblematik dessen tatsächlichen Wohnort nicht benennt.

Ein Anlass zur Gewährung eines Schriftsatznachlasses besteht nicht, wenn der Prozessbevollmächtigte diese zu einer von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einsicht in die Finanzgerichtsakte wegen der Zustellung der Ladung an den Kläger begehrt, die Umstände, die den Anlass für die Akteneinsicht gaben, diesem jedoch über 2 Monate vor der mündlichen Verhandlung vom Gericht in Form eines Hinweises, dass die Ladung des Klägers mit PZU an diesen nicht zugestellt werden konnte, mitgeteilt wurden, verbunden mit der Aufforderung, eine ladungsfähige Anschrift des Klägers mitzuteilen, auf die der Prozessbevollmächtigte nicht reagierte.

 

Normenkette

FGO § 65 Abs. 1 S. 1, § 155; ZPO § 283 S. 1, HS. 1, § 227 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.01.2018; Aktenzeichen X B 122/17)

 

Tatbestand

Der Klägervertreter hat am 11.05.2016 Klage für die Klägerin erhoben und hierbei als deren Adresse A, 1 B, angegeben.

Die Klägerin wurde mit Schreiben des Gerichts vom 03.05.2017, zuzustellen mit Postzu-stellungsurkunde, zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.07.2017, 10:30 Uhr, geladen. Ihr persönliches Erscheinen wurde angeordnet.

Auf der Zustellungsurkunde der Deutschen Post wurde am 05.05.2017 die erfolglose Zustellung vermerkt mit dem Zusatz: Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln.

Eine telefonische Nachfrage der Geschäftsstelle bei einer Mitarbeiterin des Klägervertreters am 09.05.2017 ergab, dass der Klägervertreter auch keine andere Adresse gespeichert habe.

Der Klägervertreter wurde unter Hinweis darauf, dass die Ladung der Klägerin mit Postzustellungsurkunde nicht zugestellt werden konnte mit Schreiben des Gerichts vom 11.05.2017 aufgefordert, eine ladungsfähige Anschrift der Klägerin mitzuteilen.

Eine Antwort hierauf erfolgte nicht.

Am 19.07.2017, dem Vortag der mündlichen Verhandlung, meldete sich der Klägervertreter Rechtsanwalt Z telefonisch bei der Berichterstatterin und fragte nach, ob die Anwesenheit der Klägerin - im Hinblick auf deren derzeitige Herzprobleme und schlechten Gesundheitszustand - in der mündlichen Verhandlung erforderlich sei; sie könne aber erscheinen. Die Berichterstatterin wies darauf hin, dass eine ladungsfähige Anschrift der Klägerin nicht bekannt sei und dies ein Zulässigkeitsproblem darstelle. Rechtsanwalt Z rief am 19.07.2017 erneut an und teilte mit, dass er mit der Klägerin gesprochen und diese angegeben habe, sie sei unter der Adresse A, 1 B, erreichbar und erhalte Post wie z.B. Steuerbescheide des Finanzamts. Sie habe sich im Ausland aufgehalten und als Reiseleiterin gearbeitet. Zuletzt sei sie in Irland gewesen. Sie habe aber vor, sich nächste Woche wieder in Deutschland anzumelden. Die Berichterstatterin verwies wiederum auf die Zulässigkeitsproblematik und führte aus, im morgigen Termin werde über die Zulässigkeit der Klage verhandelt; wenn der Klägervertreter dem Gericht morgen in der mündlichen Verhandlung mit dem tatsächlichen Wohnort eine ladungsfähige Anschrift nenne, müsse diese erst geprüft und die Klägerin geladen werden, so dass am 20.07.2017 zur Begründetheit nicht verhandelt werde. Für die Frage der Zulässigkeit müsse die Klägerin gerade bei schlechtem Gesundheitszustand nicht erscheinen.

Eine Abfrage der Einwohnermelde-Daten vom 19.07.2017 ergab den Eintrag „Verzogen nach Österreich“. Als Datum der letztmaligen Änderung des Datensatzes ist 15.04.2015 angegeben.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird verwiesen. Darin heißt es u.a.:

Der Vorsitzende hat in während der Unterbrechung mit Herrn X, der in A, 1 B wohnt, telefoniert. Das ist die Adresse, die die Klägerin in der Klageschrift als ihre Wohnanschrift bezeichnet hat. Herr X gibt an, dass die Klägerin bei ihm derzeit nicht lebt und auch keine Wohnung bei ihm hat. Post, die für die Klägerin in seinen Briefkasten, auf dem auch ihr Name steht, eingeworfen wird, sammelt er. Sporadisch meldet sich die Klägerin bei ihm; entweder sie holt Post ab oder nennt ihm eine Adresse, wo er die Post hinschickt. Wo sie wohnt, weiß er nicht. Wenn sie gelegentlich in Deutschland ist, kann sie besuchsweise bei ihm übernachten. Herr X hat in der letzten Zeit keinen Kontakt zu...

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