Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten wegen Erbstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastung, wenn ausreichend andere nicht streitbefangene Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung standen und eine Ausschlagung der Erbschaft möglich war
Leitsatz (amtlich)
1. Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann er unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist.
2. Der Steuerpflichtige läuft jedoch nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, wenn ausreichend andere nicht streitbefangene Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung standen und er durch eine Ausschlagung der Erbschaft, einen Antrag auf Nachlassverwaltung oder durch einen Antrag auf Nachlassinsolvenzverwaltung erreichen konnte, dass durch die Erbauseinandersetzung keine Rechtsanwaltskosten entstehen.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Streitig sind die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten wegen Erbstreitigkeiten in Höhe von 8.979 € für das Jahr 2011 und in Höhe von 16.478 € für das Jahr 2012 als außergewöhnliche Belastung.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, die in den Streitjahren 2011 und 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Kläger Regierungsdirektor an der Berufsschule) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten. Zusätzlich hatte die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
Da die Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärungen für 2011 und 2012 abgegeben hatten, führte das Finanzamt mit Bescheiden vom 28.01.2015 Schätzungsveranlagungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch.
Die Kläger erhoben Einspruch.
Mit Einreichung der Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung i.H.v. 31.218 € für das Jahr 2011 und i.H.v. von 16.478 € für 2012 als Aufwendungen für außergewöhnliche Belastung geltend.
Die Kläger legten Rechnungen der Rechtsanwaltskanzlei A aus dem Jahr 2009, Vollstreckungsbescheide aus dem Jahr 2010 und eine Auflistung vom 28.04.2015 über Zahlungseingänge in der Kanzlei A vor. Als Zahlungseingänge bestätigt die Kanzlei Beträge über insgesamt 8.978,79 € in 2011 und über 16.478 € in 2012. Als Betreff wird in den Rechnungen der Kanzlei die Nachlasssache X sowie die Verfahren Z gegen X und Z gegen die M (Bank) angegeben.
Das Finanzamt veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheiden für 2011 vom 24.09.2015 sowie für 2012 vom 28.08.2015 gemäß den eingereichten Steuererklärungen unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung.
Dabei wurde aber gemäß den Schreiben des Finanzamts vom 14.09.2015 und vom 20.07.2015 nicht über die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten für Erbstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastung entschieden, da der Einspruch insoweit ruhe, bis die entsprechenden Verfahren (Az. VI R 17/14 und VI R 70/14) durch den BFH entschieden worden seien.
Das Finanzamt nahm mit Schreiben vom 19.10.2017 die Einspruchsbearbeitung beider Einsprüche wieder auf und wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 21.12.2017 als unbegründet zurück.
Die Kläger haben Klage erhoben.
Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass die Rechtsanwaltskosten aus dem Rechtsstreit aus der Erbauseinandersetzung Z - X herrühren würden. Zum strittigen Nachlass hätten Betriebsgebäude und Lagerflächen eines Gewerbebetriebes gehört, die für den Fortbestand der Firma zwingend erhalten werden mussten, damit die vorhandenen Arbeitsplätze gesichert werden konnten. Das sozialversicherungspflichtige Arbeitseinkommen würde für den Arbeitnehmer die Lebensgrundlage darstellen, sodass bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers - in diesem Fall also der Kläger - ein existenziell wichtiger Bereich menschlichen Lebens berührt werde. Ohne den Rechtsstreit wären die Kläger Gefahr gelaufen, dass ihre Arbeitnehmer ihre Existenzgrundlage verloren hätten und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr hätten befriedigen können. Eine befriedigende Lösung der Erbauseinandersetzung sei nur durch juristischen Beistand möglich gewesen, da bereits der Versteigerungstermin für die betrieblichen Gebäude festgesetzt gewesen sei und eine Versteigerung erst im letzten Moment hätte verhindert werden können.
In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ergänzend vorgetragen, dass der Vater der Klägerin am xx.12.2000 verstorben sei. Da dieser keine testamentarische Erbfolge getroffen habe, sei es zur gesetzlichen Erbfolge gekommen. Danach seien die Mutter der Klägerin zu 50 % und die Kl...