Entscheidungsstichwort (Thema)
Zufluss von treuhänderisch vereinnahmten Fremdgeldern an Rechtsanwalt durch Erklärung der Aufrechnung mit Honorarforderungen
Leitsatz (amtlich)
Rechnet ein Rechtsanwalt seine Honorarforderungen gegenüber dem Mandanten mit für den Mandanten vereinnahmten Fremdgeldern auf, so liegt im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung ein Zufluss in Höhe der erklärten Aufrechnung auch dann vor, wenn sich später herausstellt, dass die Aufrechnung zu Unrecht erfolgte.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3 S. 2, § 11 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbständig tätig. Seinen hieraus erzielten Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 3 EStG.
In der Zeit von 2008 bis 2011 hatte er ein spanisches Unternehmen, die Firma B S.L. (im Folgenden: B), in zivilrechtlichen Streitigkeiten vertreten. Hierfür hatte er seiner Mandantschaft unter dem 11. September 2008 sowie dem 10. März 2011 Rechnungen über 55.412,80 € bzw. 19.445,15 €, 43.708,23 € und 2.829,35 € gestellt. Im Rahmen des dieses Mandat betreffenden zivilrechtlichen Klageverfahrens wurde am 27. Januar 2011 ein Vergleich dahin geschlossen, dass B eine (weitere) Zahlung ihres Kontrahenten in Höhe von 290.000,00 € nebst Zinsen erhalten sollte. Dieser Betrag wurde unmittelbar danach auf ein Konto des Klägers überwiesen, über das er sowohl betriebliche als auch private Zahlungsvorgänge abwickelte. Hiervon leitete er 240.000,00 € an B weiter. Den Differenzbetrag von 50.000,00 € behielt er mit der Begründung ein, ihm stünden Honorarforderungen in dieser Höhe zu, mit denen er aufrechne. Hiermit zeigte sich B nicht einverstanden und forderte im April 2011 die Auszahlung des Einbehaltes zurück. Im Zuge des sich im Anschluss an die Weigerung des Klägers angestrengten zivilrechtlichen Klageverfahrens hielt dieser an seinen o.g. Kostennoten nicht mehr fest. Sie seien, da in Form von E-Mails und ohne Unterschrift verfasst, lediglich als Entwürfe zu verstehen. Zugleich erteilte er neue zur Aufrechnung gestellte Abrechnungen über insgesamt 76.754,60 €.
Laut der in 2014 durch das OLG bestätigten Entscheidung des Landgerichtes vom 13. September 2012 hatten dem Kläger lediglich Vergütungsansprüche von 25.272,82 € zugestanden, die in Höhe von 20.480,00 € bereits durch Erfüllung erloschen waren, so dass nur noch eine aufrechenbare Forderung von 4.802,82 € bestanden hatte. In Höhe des Differenzbetrages zu 50.000,00 €, mithin von 45.197,18 €, wurde er zur Auszahlung an B verurteilt.
Mit Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 hatte der Kläger angegeben, einen Gewinn in Höhe von 23.164,00 € erzielt zu haben.
Dem war das Finanzamt mit ursprünglichem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 2011 vom 5. Juni 2013 zunächst gefolgt.
Eine in der Folgezeit für 2011 durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung traf folgende Feststellungen:
Der Kläger verfügte über zwei Bankkonten bei zwei Banken, die er sowohl für private Buchungen als auch für das Unternehmen verwendete. Für Zwecke seiner Gewinnermittlung erfasste er nicht sämtliche betrieblichen Zahlungseingänge, sondern teilte die eingehenden Gelder sogleich auf den Kontoauszügen in "Einnahmen" bzw. "Fremdgelder" auf. Nur die als Honorare/Einnahmen gekennzeichneten Beträge fanden Eingang in seine Einnahmen-Überschussrechnung. Dabei seien ihm - so die Prüferin - jedoch Fehler unterlaufen. So seien Honorarbeträge in falscher Höhe oder gar nicht erfasst worden oder es seien Beträge, auf die er Umsatzsteuer berechnet habe, als durchlaufende Posten behandelt worden. Insgesamt sei ein Bruttomehrumsatz von 64.341,00 € zu verzeichnen. Unter anderem seien Geldeingänge, die im Zusammenhang mit dem o.g. Zivilrechtsstreit der B gegen einen Dritten stünden, nicht als Betriebseinnahmen erfasst. Dabei handele es sich um den o.g. unstreitig nicht an B weitergeleiteten Betrag von 50.000,00 € sowie um Zahlungen von 7.199,45 € (von der Staatskasse erstattete Gerichtskosten) und in Höhe von 746,77 € (weitere Überweisung des Gegners der B), deren Weiterleitung ebenfalls nicht habe festgestellt werden können. Aus diesem Vorgang hätten lediglich 10.000,00 € Eingang in die Gewinnermittlung des Klägers gefunden, so dass sich Mehrbetriebseinnahmen von 54.341,00 € ergäben.
(Wegen der Einzelheiten vgl. den Sonderprüfungsbericht vom 9. Dezember 2013, Bl. 15 ff. PA).)
Mit nach § 164 Abs. 2 AO unter dem 14. März 2014 geändertem Einkommensteuerbescheid 2011 kam - der Sonderprüfung folgend - ein Gewinn aus selbständiger Arbeit von 77.505,00 € (= 23.164,00 € erklärter Gewinn zzgl. Betriebseinnahmen von 54.341,00 €) zum Ansatz.
Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch wendete der Kläger ein, mit Rechtskraft des Urteils des Landgerichtes habe festgestanden, dass der Einbehalt in Höhe von 45.197,18 € unwirksam gewesen sei. Die B habe einen entsprechend hohen Anspruch aus dem Geschäftsbesorgungsvertragsverhältnis gehabt. Bei dem für B auf dem Konto des Klägers eingegan...