Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzungsbefugnis bei Inanspruchnahme des Wahlrechts zur Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG
Leitsatz (amtlich)
In Fällen, in denen der Gewinn eines Steuerpflichtigen in einem Wirtschaftsjahr, das in den nach § 6b Abs. 3 EStG maßgebenden Zeitraum fällt, geschätzt wird, ist kein Zuschlag in Höhe des ursprünglichen Abzugsbetrags in Ansatz zu bringen.
Normenkette
EStG §§ 6b, 6c
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Berechtigung des Klägers, der mit seiner Ehegattin, der Klägerin, in den Streitjahren (2015 und 2016) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, zum Abzug nach § 6b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie zur Bildung einer Rücklage i.S. des § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG in Streit.
Nach seiner aktiven Tätigkeit als Land- und Forstwirt verpachtete der Kläger in den Streitjahren sämtliche vorher selbst bewirtschafteten Flächen für eine jährliche Pacht in Höhe von 1.030 €. Eine Betriebsaufgabeerklärung wurde nicht abgegeben. Mit Vertrag vom 27. Juni 2016 veräußerte der Kläger ein zu seinem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehöriges Grundstück an die Stadt W, für das die Vertragsparteien einen Wert von 174.450 € zu Grunde legten. Der Kläger erhielt hierfür von der Stadt W das Grundstück Flur …2 Nr. …8 in We. sowie eine Zahlung von 88.424,57 €. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die notarielle Urkunde vom 27. Juni 2016.
In ihrer am 31. August 2017 elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2015 gaben die Kläger einen nach § 4 Abs. 1 EStG für ein dem Kalenderjahr entsprechendes Wirtschaftsjahr ermittelten Gewinn des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 1.030 € an. Für das Streitjahr 2016 reichten die Kläger keine Einkommensteuererklärung ein. Unterlagen zur Gewinnermittlung übermittelten die Kläger im Veranlagungsverfahren nicht.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2015 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest, wobei er Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 1.030 € zu Grunde legte. Zur Erläuterung wurde ausgeführt, der Bescheid ergehe unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, weil u.a. die landwirtschaftlichen Einkünfte bezüglich des Tausches mit der Stadt W noch nicht ermittelt worden seien. Hiergegen legten die Kläger keinen Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 9. November 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Veräußerung des Grundstücks sei im Wirtschaftsjahr 2015/2016 zu versteuern. Es sei beabsichtigt, den Gewinn wie folgt zu ermitteln:
Erwerb des Grundstücks We. Flur …5 Nr. …5 |
|
¾ entgeltlich bei 1 DM/qm für 6.978 qm |
5.234 DM |
¼ unentgeltlich, Wert nach § 55 EStG EMZ 54 * 69,78 = 3.768 * 2 * 4 = 30.144 DM, ¼ = |
7.536 DM |
Summe Anschaffungskosten in DM |
12.770 DM |
Summe Anschaffungskosten in € |
6.529 € |
Veräußerungspreis 27.06.2016 |
174.450 € |
Anschaffungskosten |
-6.529 € |
Veräußerungsgewinn (= stille Reserven) |
167.921 € |
Da dem Kläger - so der Beklagte weiter - gleichzeitig das Grundstück Flur …2 Nr. …8 im Wert von 86.027 € im Wege des Tauschs übertragen worden sei, habe der Kläger die Möglichkeit, in dieser Höhe die aufgedeckten stillen Reserven auf das erhaltene Grundstück zu übertragen, sodass hierfür ein Buchwert von 0 € in einem Anlageverzeichnis zu erfassen sei. Zu versteuern wäre dann im Wirtschaftsjahr 2015/2016 noch der übersteigende Betrag von 81.894 €. Eine Stellungnahme des Klägers hierzu erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 25. April 2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2015 unter Berufung auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) fest, wobei er den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob und Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 84.990 € zu Grunde legte.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch vom 14. Mai 2018 machten die Kläger geltend, bei der Ermittlung des Buchwerts des veräußerten Grundstücks seien Erschließungskosten zu berücksichtigen, so dass lediglich 33.248,58 € in Ansatz zu bringen seien. Der sich ergebende Veräußerungsgewinn in Höhe von 141.201 € sei in Höhe von 86.027 € auf das eingetauschte Grundstück zu übertragen. Der verbleibende Betrag von 55.174 € solle in eine Rücklage nach den §§ 6b, 6c EStG eingestellt werden. In dem ggf. noch aufzuarbeitenden Grundstücksverzeichnis würde das Ersatzgrundstück mit dem korrigierten Buchwert von 1 € ausgewiesen. Sie, die Kläger, gingen davon aus, dass dem Beklagen ein Grundstücksverzeichnis nach altem Stand vorliege. Sollte kein Grundstückverzeichnis vorliegen, würde eines erstellt.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2018 teilte der Beklagte u.a. mit, ein Grundstücksverzeichnis liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2015 unter Berufung auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fest, wobei er Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 71.630 € zu Grunde legte.
Ebenfalls mit Bescheid vom 26. Oktober 2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2016 auf Grundlage einer Schätzung und un...