Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz außerhalb einer verbindlichen Zusage
Leitsatz (redaktionell)
Zum Vertrauensschutz nach Treu und Glauben außerhalb einer verbindlichen Zusage
Normenkette
AO §§ 89, 204
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist der Vertrauensschutz aus einer Auskunft.
Die Klägerin ist Dipl.-Psychologin und betreibt eine psycho-therapeutische Praxis in M. Daneben erstellt sie für Familiengerichte psychologische Gutachten zur Frage des Sorge- und Umgangsrechts, in denen auch die Frage nach der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder beider Elternteile zu beurteilen sein kann sowie aussagepsychologische Gutachten in Strafverfahren für die Staatsanwaltschaft oder auch für Familiengerichte, die die Feststellung der Aussagetüchtigkeit eines meist kindlichen Zeugen und die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit seiner Aussage zum Gegenstand haben.
Auf telefonische Anfragen und am Beispiel zweier von ihr erstellter Sachverständigengutachten erteilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 2. Januar 1997 die Auskunft, dass nach Aktenlage die Umsatzsteuerfreiheit für die Gutachtertätigkeit gem. § 4 Nr. 14 UStG und Abschn. 88 UStR gegeben sei. Der Auskunft ist die Einschränkung angefügt, dass eine verbindliche Auskunft leider nicht erteilt werden könne, da die Voraussetzungen nach § 204 AO nicht erfüllt seien (Blatt 1 der Umsatzsteuerakte). Das Schreiben wurde vom Mitarbeiter des Veranlagungsbezirks unterschrieben (Blatt 53 der Prozessakte).
Die Klägerin stellte in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen ihre Rechnungen ohne Ausweis von Umsatzsteuer aus, gab entsprechend keine Umsatzsteuererklärungen ab und erklärte in ihren Einkommensteuererklärungen die Einnahmen aus der Gutachtertätigkeit.
Bei der Veranlagung 2002 notierte der Sachbearbeiter des Beklagten auf der der Einkommensteuererklärung 2002 beigefügten Einnahme-Überschussrechnung der Klägerin zu den Einnahmen aus schriftlichen Gutachten den Vermerk "USt-Pflicht?" und brachte den Vermerk "Bp melden" an (Blatt 19 der Bilanzakte). Vom veranlagenden Teilbezirk des Beklagten wurde der Steuerfall mit der Bitte um Durchführung einer Außenprüfung vom 10. März 2003 der zuständigen Betriebsprüfungsstelle beim Finanzamt M gemeldet (Blatt 1 der Bp-Berichtsakte). Dem Teilbezirk wurde die Vormerkung der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 für das Kalenderjahr 2006 mitgeteilt (Blatt 1 Rs der Bp-Berichtsakte).
Im Frühjahr/Sommer 2006 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 statt, bei der auch die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer geprüft wurden (Prüfungsanordnung vom 9. März 2006, Blatt 4 der Bp-Berichtsakte). Hinsichtlich der Gutachtertätigkeit der Klägerin war die Betriebsprüferin der Auffassung, dass diese umsatzsteuerpflichtig sei, weil in den Gutachten eventuell ausgesprochene therapeutische Empfehlungen nicht Hauptzweck des vom Gericht erteilten Auftrages seien und daher nicht ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehen würde (Textziffer 2.1 des Prüfungsberichts vom 29. November 2006, Blatt 76, 77 der Bp-Berichtsakte).
Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüferin und erließ am 1. Februar 2007 erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 zum Ruhen gebracht und hinsichtlich des Streitjahres mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2007 zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt vor, die Umsatzsteuerfestsetzung würde gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, weil diese im Widerspruch zu der verbindlichen Auskunft vom 2. Januar 1997 stünden und sich der Beklagte hierdurch in einen von der Rechtsordnung nicht hinnehmbaren Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten insgesamt gesetzt hätte. Sie habe sich im Vorfeld der Auskunft mehrfach persönlich und telefonisch an den Beklagten gewandt, um die Frage zu klären, ob sie in ihren Rechnungen Umsatzsteuer ausweisen und Umsatzsteuererklärungen abgegeben müsse. Sie hätte dabei für den Beklagten erkennbar eine entsprechende verbindliche Auskunft begehrt, um Rechtssicherheit zu erlangen. Der Veranlagungsbeamte hätte sie dann um Vorlage von Mustergutachten gebeten, um den Sachverhalt einem Gremium beim Beklagten zur Entscheidung zu unterbreiten. Daraufhin habe sie entsprechende Mustergutachten vorgelegt und der Beklagte hätte dann die Auskunft vom 2. Januar 1997 erteilt, nach der sie sich gerichtet hätte. Der Sachbearbeiter habe ihr hierzu telefonisch mitgeteilt, die Auskunft sei alles, was er für sie tun könne. Der Beklagte hätte durch die Auskunft und die nachfolgenden entsprechenden Veranlagungen eine schutzwürdige Vertrauensposition geschaffen, die sie zu unwiderruflichen Dispositionen veranlasst hätte, nämlich ihre Gutachterleistungen ohne Umsatzsteuer zu berechnen und ihre Rechnungen ohne Ausweis von Umsatzsteuer auszustellen. Der Beklagte verkenne, dass trotz des Prinzips der Abschnittsbesteuer...