Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlange Verfahrensdauer
Leitsatz (redaktionell)
Ein Verstoß gegen das Gebot wirksamen Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG wegen überlanger Verfahrensdauer liegt nur dann vor, wenn die Verfahrensdauer des Finanzgerichts auf Umständen beruht, die der Finanzverwaltung oder dem Finanzgericht angelastet werden können und die Dauer des Verfahrens als unverständlich und nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Außerdem können sich Schwierigkeiten, die durch eine überlange Verfahrensdauer bei der Sachaufklärung bedingt sind, nur dann zugunsten eines Klägers auswirken, wenn er selbst zur Prozessbeschleunigung beigetragen oder auf diese gedrungen hat
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob ein Zwischenmietverhältnis rechtsmissbräuchlich ist und eine überlange Verfahrensdauer.
Der Kläger ist von Beruf Arzt. Daneben ist er als Beteiligter einer Bauherrengemeinschaft unternehmerisch tätig. In seinen Umsatzsteuererklärungen 1979 und 1980 machte der Kläger Vorsteuerbeträge aus der Errichtung bzw. dem Erwerb eines Vermietungsobjekts als Beteiligter einer Bauherrengemeinschaft in O geltend.
Nach Mitteilung des für die Bauherrengemeinschaft zuständigen Finanzamts war die Einschaltung eines gewerblichen Zwischenvermieters umsatzsteuerlich nicht anzuerkennen und somit die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Steuerbefreiung bei der Bauherrengemeinschaft nicht erfüllt. Entsprechend änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 12. Dezember 1984 die Umsatzsteuerfestsetzungen 1979 und 1980 mit der Begründung, dass die Einschaltung eines gewerblichen Zwischenvermieters wegen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO nicht anzuerkennen sei.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch unter Bezug auf das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 1983 - 3 K 379/82 ein. Das Einspruchsverfahren ruhte bis zum 30. Juni 2008 und der Kläger hielt auch nach Erörterung des Sachverhalts zwischen seinem nunmehrigen Prozessbevollmächtigten und dem Beklagten an seinem Einspruch fest. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2008 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt vor, er verfüge wegen seiner Beteiligung an der Bauherrengemeinschaft über keinerlei Unterlagen mehr und wisse auch nicht, wann diese Beteiligung beendet worden sei. Da sein damaliger Steuerberater nicht mehr existiere, könne er auch keine Unterlagen mehr erlangen. Die Rechtsauffassung des Beklagten würde sich lediglich darauf stützen, dass laut Vertrag angeblich eine Mietgarantiegebühr von 10% der 5-Jahresmiete, die sechs Monatsmieten entsprechen würde, zu leisten gewesen sei. Ein Vertrag liege jedoch nicht vor und der Beklagte würde sich lediglich auf eine handschriftliche Notiz des Finanzamts F1 stützen, der aber keinerlei nachprüfbare Angaben oder Belege beigefügt seien. Die vom Beklagten erst nach Einlegung des Einspruchs betriebene Sachverhaltsaufklärung hätte auch beim Finanzamt Frankfurt/Main-Höchst nicht zu einem Ergebnis geführt. Ein Gestaltungsmissbrauch, auf den sich der Beklagte in der Einspruchsentscheidung gestützt hätte, sei nicht erwiesen. Zudem würde die Sachbehandlung durch den Beklagten zu einer Verschärfung der vorherigen Rechtslage führen, so dass nach dem BMF-Schreiben vom 27. Juni 1983 Vertrauensschutz zu gewähren sei. Dies würde sich auch aus dem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 1983 ergeben. Wegen der überlangen Verfahrensdauer liege zudem ein Verstoß gegen das Gebot des wirksamen Rechtsschutzes vor.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 1979 und 1980 vom 12. Dezember 1984 und die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2008 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte Einsicht in die Steuerakten erhalten. Da auch nach einem Besprechungstermin an Amtsstelle keine weitere Stellungnahme des Klägers erfolgt wäre, sei die Einspruchsentscheidung ergangen. Es sei zwar im Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar, weshalb das Einspruchsverfahren solange geruht hätte, allerdings würde eine überlange Verfahrensdauer nicht die Verwirkung des Steueranspruchs nach sich ziehen. Der Kläger hätte durch eine entsprechende Intervention bei ihm oder durch eine unmittelbare Klage bei Gericht den Fortgang des Verfahrens betreiben und so wirksamen Rechtsschutz in angemessener Zeit erlangen können. Er hätte seine Informationen nicht aus der handschriftlichen Notiz des Finanzamts F1 bezogen, sondern aus der Mitteilung über die umsatzsteuerliche Beurteilung der gewerblichen Zwischenvermietung vom 27. September 1984 und dem Schreiben des Finanzamts F2 vom 7. März 1989. Auf die Ausführungen des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 1983 könne sich der Kläger nicht berufen, da sich der BFH in dem Urteil vom 29. Oktober 1987 dieser Rechtsauffassung nicht angeschlossen hätte.
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