Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 439
Mindestens zwei Beteiligungen. Die Körperschaft muss Beteiligungen an mindestens zwei Tochtergesellschaften halten. Zwar ist dem BMF-Schreiben v. 24.1.2012 nicht ausdrücklich eine Mindestanzahl an Beteiligungen zu entnehmen. Nicht ausreichend soll aber das Halten einer Beteiligung an nur einer Tochtergesellschaft sein, auch wenn gegenüber dieser Tochtergesellschaft geschäftsleitende Funktionen ausgeübt werden. Im Wege eines Umkehrschlusses wird man daher folgern können, dass mindestens zwei Beteiligungen ausreichend sind. Das entspricht der Verwaltungspraxis. Auch die Gesetzesbegründung zum AbzStEntModG scheint dieses Verständnis nahezulegen, da dort auch von "Tochtergesellschaft en " (Plural) die Rede ist. Zuzustimmen ist dem in dieser Pauschalität aber nicht: Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass auch bei einer Beteiligung an nur einer Tochtergesellschaft derart gewichtige geschäftsleitende Funktionen und Führungsaufgaben wahrgenommen werden, dass eine Wirtschaftstätigkeit von außen ohne weiteres erkennbar ist. Allein die Anzahl der Beteiligungen ist kein sachgerechtes Kriterium für die Feststellung einer geschäftsleitenden Wirtschaftstätigkeit. Auch am Missbrauchszweck des § 50d Abs. 3 EStG orientiert ist eine solche Auslegung verfehlt, denn das rein formale Erfordernis, dass mindestens zwei Beteiligungen gehalten werden müssen, indiziert nicht per se einen Missbrauch. Entscheidend sollte in Anknüpfung an den Gesetzeszweck und die Gesetzessystematik des § 50d Abs. 3 EStG im Wege einer teleologisch-systematischen Auslegung sein, dass über das reine Erzielen der Einkünfte hinaus (Aktivitätstest, vgl. Rz. 257 ff.) überhaupt geschäftsleitende Funktionen durch Führungsentscheidungen mit einem hierzu angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb (Substanztest, vgl. Rz. 301 ff.) wahrgenommen werden. Ausschlaggebend sollten daher nur die Kriterien sein, die in § 50d Abs. 3 EStG eine gesetzliche Grundlage haben, also der Aktivitätstest (Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 1) und der Substanztest (Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 3). Dass es letztlich darauf ankommen soll, ob eine oder zwei Beteiligungen gehalten werden, lässt sich aus dem Gesetz hingegen an keiner Stelle ableiten. Schließlich kann auch der Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung zur körperschaftsteuerlichen Organschaft nicht tragen: Zum einen verfolgt die Organschaft nicht den Zweck der Missbrauchsvermeidung. Zum anderen sind die dortigen Ausführungen aber auch gerade deshalb nicht übertragbar, weil der BFH das Erfordernis mindestens zweier Tochtergesellschaften (damals) damit begründete, dass das Organschaftsverhältnis in einer neben den Betrieb der Tochtergesellschaft tretenden wirtschaftlichen Einheitmehrerer Unternehmen des Konzernverbunds besteht, was bei einer nicht selbst unternehmerisch tätigen Muttergesellschaft notwendigerweise die Beteiligung an einer weiteren (zweiten) unternehmerisch tätigen Tochtergesellschaft erfordert. Bei § 50d Abs. 3 EStG geht es aber nicht um die Begründung einer wirtschaftlichen Unternehmenseinheit zur Rechtfertigung einer Gruppenbesteuerung, sondern um die Feststellung eines steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs einer bestimmten Körperschaft ohne jede wirtschaftliche Realität. Gerade deshalb ist das formale Erfordernis mindestens zweier Tochtergesellschaften auch nicht mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar. Das ist jedenfalls im Wege einer unionsrechtskonformer Auslegung des § 50d Abs. 3 EStG zu berücksichtigen.
Rz. 440
Geschäftsleitenden Holding "im Aufbau"; kurzfristige Unterbrechungen. Die Voraussetzungen einer geschäftsleitenden Holding können nach der Basisgesellschafts-Rechtsprechung des BFH und wohl auch nach Ansicht der FinVerw schon vorliegen bei vorbereitenden und ernsthaft betriebenen Maßnahmen zum Erwerb von Beteiligungen von einigem Gewicht, wenn diese Maßnahmen in einem angemessenen zeitlichen und wirtschaftlich vernünftigen Zusammenhang mit der Errichtung der Gesellschaft stehen und gegenüber den Gesellschaften, deren Anteile erworben werden sollen, geschäftsleitende Funktionen ausgeübt werden sollen. Eine Wirtschaftstätigkeit kann daher schon dann vorliegen, wenn die Körperschaft ernsthafte (Vorbereitungs-)Maßnahmen mit der Absicht unternimmt, eine geschäftsleitende Holdingtätigkeit aufzunehmen, ohne dass diese zum Zeitpunkt der Einkünfteerzielung schon tatsächlich betrieben wird. In diesem Fall ist nämlich ein Missbrauch nach den objektiven Umständen schon nicht mehr indiziert. Das entspricht den allgemeinen Anforderungen an einen zukünftigen "Zusammenhang" (vgl. Rz. 420). Gleiches muss gelten bei nur kurzfristigen Beteiligungsabschmelzungen und -umschichtungen, während die im Grundsatz weiterhin bestehende Absicht zur Ausübung einer geschäftsleitenden Holdingtätigkeit fortbesteht. Zu weiteren zeitlichen Vorgaben hinsichtlich des Vorliegens einer Wirtschaftstätigkeit s. Rz. 391.
Rz. 441
Beteiligung "von einigem Gewi...