Dr. Nils Häck, Dr. Julian Böhmer
Rz. 804
AO 1931, StAnpG 1934 und AO 1977. Das StAnpG v. 16.10.1934 änderte mit seinen §§ 13, 14 die Begriffe Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt in einigen Punkten gegenüber den §§ 80, 81 AO 1931. Soweit keine Änderungen erfolgten, behielt die frühere Rspr. zum Wohnsitzbegriff Bedeutung. Im Grundsatz ist dem auch heute zuzustimmen, es sei denn, Entscheidungen wären von nationalsozialistischem Geist geprägt und daher überholt. Die AO 1977 übernahm den Wohnsitzbegriff gegenüber § 13 StAnpG unverändert. Entsprechendes gilt für den Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" in § 9 Satz 1 AO 1977. Dagegen enthalten § 9 Sätze 2 und 3 AO 1977 wesentliche Änderungen, die in ihrem Ergebnis allerdings lediglich die Verwaltungspraxis zu § 14 StAnpG wiedergeben.
Rz. 805
Abgeleitete Verfügungsmacht. Nach der Rspr. des RFH, insbesondere nach der Entscheidung v. 17.3.1931, genügt für die Annahme eines Wohnsitzes auch eine abgeleitete Verfügungsmacht über die bewohnten Räume. Eine solche abgeleitete Verfügungsmacht hat der RFH in dieser Entscheidung für volljährige Kinder angenommen, die noch keinen eigenen Hausstand gegründet haben, und die ohne Abschluss eines förmlichen Mietvertrags bei ihren Eltern wohnen, da ihnen eine gewisse Verfügungsgewalt über Teile der elterlichen Wohnung zusteht. Aus den gleichen Gründen vermittelt ein Ehegatte dem anderen Ehegatten die Verfügungsmacht über eine Wohnung. Auch eine nichteheliche Lebensgefährtin kann Verfügungsmacht über Räumlichkeiten vermitteln.
Ausreichend ist ferner, wenn der Stpfl. die Verfügungsmacht von seinem Ehegatten oder auch einer anderen Person ableitet und diese Person ihrerseits die Verfügungsmacht von einem anderen abgeleitet hat (mittelbare Verfügungsmacht). Entschieden wurde dies für eine Ehefrau, deren Mann (ein Profi-Eishockeyspieler) von seinem Arbeitgeber eine Wohnung überlassen wurde.
Rz. 806
Abwesenheit. Ein Ehemann hat dort seinen Wohnsitz, wo seine Familie wohnt (s. hierzu Rz. 839). Nimmt er eine Tätigkeit außerhalb dieses Ortes auf, so behält er im allgemeinen seinen Wohnsitz an dem bisherigen Wohnort bei, wenn seine Familie dort verbleibt. Ob er aus beruflichen oder persönlichen Gründen von der Wohnung mehr oder weniger häufig, ja selbst das ganze Jahr hindurch nicht Gebrauch macht, ist belanglos. Das Gleiche gilt von dem Umstand, dass anderwärts im Ausland noch ein weiterer Wohnsitz vorhanden sein mag.
Rz. 807
Angehörige des ausländischen diplomatischen Corps im Inland. Angehörige des ausländischen diplomatischen Corps mit (tatsächlichem) Wohnsitz oder dauerndem Aufenthalt im Inland sind, soweit sie unter Art. 34 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) fallen, im Inland nur beschränkt steuerpflichtig.
Auf Art. 34 WÜD können sich berufen:
- a) die Diplomaten selbst,
- b) die zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder (Ehegatte, Kinder, Eltern, Schwiegereltern), wenn sie nicht Angehörige des Empfangsstaates (Bundesrepublik) sind,
- c) Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission und die zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder (vgl. b), wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaates (Bundesrepublik) noch in demselben ständig ansässig sind,
- d) Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Mission, die weder Angehörige des Empfangsstaates noch in demselben ständig ansässig sind,
- e) private Hausangestellte von Mitgliedern der Mission, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaates noch in demselben ständig ansässig sind.
Ständig ansässig im Empfangsstaat i.S. von Art. 34, 37 WÜD sind grundsätzlich alle Personen, die zum Zeitpunkt, als sie von der betreffenden diplomatischen Mission angestellt wurden, bereits längere Zeit im Empfangsstaat ihren Wohnsitz hatten. Ortskräfte gelten ausnahmslos als ständig ansässig. Selbst entsandte Personen können ständig ansässig sein, wenn nicht mehr die Entsendung das dominierende Element ihres Aufenthalts ist. Dafür sprechen insbesondere ein übermäßig langer Aufenthalt im Inland (im Streitfall 25 Jahre), die Eheschließung mit einem Inländer oder andere Faktoren, die auf die Absicht des ständigen Verbleibs im Empfangsstaat schließen lassen.
Rz. 808
Angehörige, Hausangestellte und Ausübung der Verfügungsmacht. Das Innehaben einer Wohnung i.S. des § 13 StAnpG setzt voraus, dass der Stpfl. die tatsächliche Verfügungsmacht über die Wohnung besitzt. Die Verfügungsmacht kann auch im Auftrag des Stpfl. durch Dritte, z.B. Angehörige oder Hausangestellte, ausgeübt werden.
Ob ein Wohnsitz besteht, ist für jede Person getrennt zu prüfen. Grundsätzlich teilen minderjährige Kinder den Wohnsitz ihrer Eltern, weil sie über ihre Haushaltszugehörigkeit eine abgeleitete Nutzungsmöglichkeit (s. hierzu auch Rz. 805) besitzen und deshalb die elterliche Wohnung ebenfalls inne haben.
Rz. 809
Anschrift auf der Lohnsteuerkarte. Die auf der Lohnsteuerkarte angegebene Anschrift bedeutet nic...