Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
"... nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen ..."
Rz. 2851
Fremdvergleichsgrundsatz als Eichstrich. Eine Korrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 setzt voraus, dass die Verrechnungspreise, die der Gewinnaufteilung zwischen dem inländischen Unternehmensteil und seiner ausländischen Betriebsstätte bzw. der Gewinnermittlung einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens zugrunde gelegt wurden, "nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen". Heranzuziehen ist hierbei der allgemeine Fremdvergleichsgrundsatz, der in § 1 Abs. 1 Satz 1 legaldefiniert ist und auf diejenigen "Bedingungen, insbesondere Preise" verweist, die "voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten" (Rz. 132 ff.). Zwar enthält § 1 Abs. 5 Satz 1 lediglich einen Rechtsfolgenverweis auf § 1 Abs. 1; im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Legaldefinition des Fremdvergleichsgrundsatzes auch im Rahmen von § 1 Abs. 5 Satz 1 Anwendung findet.
Rz. 2852
Fremdvergleichspreis. Der dem Fremdvergleichsgrundsatz stets entsprechende Wertmaßstab ist der Fremdvergleichspreis. Nach der Vorschrift des § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 ist für betriebsstättenbezogene Sachverhalte der Fremdvergleichspreis auf der Grundlage der Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte und der Unabhängigkeit vom übrigen Unternehmen zu ermitteln (Rz. 2881 f.). Zu beachten ist auch hier, dass es nach der Rspr. des BFH im Urteil v. 17.10.2001 den einen Fremdvergleichspreis i.S. eines einwertigen Vergleichspreises i.d.R. nicht gibt, sondern jeweils eine Vielzahl von Preisen als mit dem Fremdvergleichsgrundsatz konform angesehen werden muss, womit als Eichstrich letztlich eine Bandbreite von Fremdvergleichspreisen zur Verfügung steht (Rz. 1001). Eine Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz ist erst dann gegeben, wenn der der Gewinnaufteilung bzw. Gewinnermittlung zugrunde gelegte Verrechnungspreis sich außerhalb dieser Bandbreite befindet.
Inwieweit zur Ermittlung des Fremdvergleichspreises § 1 Abs. 3–3e Anwendung findet, ist fraglich. § 1 Abs. 5 Satz 1 enthält jedenfalls keinen Rechtsgrund-, sondern lediglich einen Rechtsfolgenverweis (Rz. 2861). Darüber hinaus nimmt zumindest § 1 Abs. 3 Satz 1 ausdrücklich auf Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Bezug, die bei betriebsstättenbezogenen Sachverhalten mangels nahestehender Person i.S. eines zweiten Rechtsträgers jedenfalls nicht gegeben sind. Gleichwohl wird man die in § 1 Abs. 3–3e manifestierten Wertungen des Gesetzgebers auch im Rahmen der Anwendung von § 1 Abs. 5 Satz 1 zumindest insoweit heranziehen können, als sie einem echten Fremdvergleich genügen. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 1 Abs. 5 i.d.F. v. 26.6.2013 ausdrücklich das Ziel verfolgte, den Fremdvergleichsgrundsatz auf Sachverhalte auszuweiten, die die Aufteilung der Gewinne zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen betreffen, und dabei insbesondere die Gleichstellung der Investition über ein rechtlich selbständiges verbundenes Unternehmen mit der Investition über eine Betriebsstätte umzusetzen, was den Gleichlauf der jeweiligen Gewinnabgrenzung voraussetzt.
Ob die in § 1 Abs. 1 Satz 3 kodifizierte Fiktion der vollständigen Information und Markttransparenz hinsichtlich der Referenzfigur des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters auch im Rahmen von § 1 Abs. 5 Satz 1 für betriebsstättenbezogene Sachverhalte anzuwenden ist, ist dagegen zweifelhaft. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 ist zur Ermittlung des fremdvergleichskonformen Verrechnungspreises davon auszugehen, "dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen" (Rz. 225 ff.). Diese Transparenzfiktion widerspricht jedoch einem echten Fremdvergleich, da voneinander unabhängige fremde Dritte eben nicht über einen vollständigen Informationsstand verfügen (Rz. 226). Im Hinblick auf das Fehlen eines Rechtsgrundverweises muss die Geltung der Transparenzfiktion des § 1 Abs. 1 Satz 3 für betriebsstättenbezogene Sachverhalte daher verneint werden (Rz. 2861).