Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1202
Zentralisierung der Einkaufsfunktion. Der Zentralisierung der Beschaffungsfunktion kommt in der Unternehmens- und Konzernpraxis eine große Bedeutung zu. Dies deswegen, weil sich durch die Bündelung der Nachfragemacht einer ganzen Unternehmensgruppe – mitunter erhebliche – Synergieeffekte durch die Nutzung von Größenvorteilen (insbesondere in Form von mengenabhängigen Vergünstigungen im Rahmen des Einkaufs) realisieren lassen. Dies betrifft neben dem Einkauf von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Halbfertigfabrikaten durch Industrieunternehmen auch die Beschaffung von Waren durch Einzel- oder Großhandelsunternehmen. Im Rahmen der Zentralisierung der Einkaufsfunktion in einem verbundenen Unternehmen kommt es zu einer Verlagerung der bislang durch die einzelnen Konzernunternehmen separat ausgeübten Einkaufsfunktionen auf das nunmehr auf den Einkauf spezialisierte Unternehmen. Dabei wird die Einkaufsfunktion i.d.R. auf spezialisierte, rechtlich selbständige Einkaufsgesellschaften verlagert oder zentral durch eine bereits existierende Konzerngesellschaft (z.B. zentrale Einkaufsabteilung einer Obergesellschaft des Konzerns) ausgeübt. Die Einkaufsfunktion kann dabei grundsätzlich in den folgenden Formen ausgeübt werden:
- Einkaufsagent, d.h. die Einkaufsgesellschaft kauft die Waren im fremden Namen und auf fremde Rechnung ein (Rz. 1203),
- Einkaufskommissionär, d.h. die Einkaufsgesellschaft kauft die Waren im eigenen Namen und auf fremde Rechnung ein (Rz. 1205),
- Eigenhändler, d.h. die Einkaufsgesellschaft kauft die Waren im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ein (Rz. 1207).
Wie in Rz. 1209 ff. gezeigt wird, ist die Frage, ob die Verlagerung der Einkaufsfunktion auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen zu einer Funktionsverlagerungsbesteuerung i.S.d. § 1 Abs. 3b Satz 1 i.V.m. der FVerlV führt, von der Wahl der vorstehend dargestellten Organisationsform der Einkaufsgesellschaft abhängig.
Rz. 1203
Einkaufsagent. Ist die Einkaufsgesellschaft als Einkaufsagent organisiert, kauft sie die Waren im fremden Namen und auf fremde Rechnung (z.B. der inländischen Muttergesellschaft oder anderer verbundener Unternehmen) ein. Im Agentenmodell agiert die Einkaufsgesellschaft damit als reiner Dienstleister, sodass sie weder rechtliches noch wirtschaftliches Eigentum an den von ihr eingekauften Waren erwirbt. Die Funktionen der Einkaufsgesellschaft beziehen sich in ihrer Organisationsform als Einkaufsagent i.d.R. auf die folgenden:
- Einkauf von Waren in fremden Namen und auf fremde Rechnung,
- Herstellung von Kontakten zu Lieferanten und Lohnfertigern,
- Vermittlung von Lieferanten-Aufträgen,
- Lieferantenauswahl,
- Qualitätskontrolle,
- Audit bei Lieferanten und Lohnfertigern,
- Scouting,
- Logistikoptimierung,
- Konkurrentenanalyse,
- Erschließung neuer Märkte.
Rz. 1204
Verrechnungspreisermittlung des Einkaufsagenten. Die Tätigkeit der von einem Einkaufsagenten organisierten Einkaufsgesellschaft erschöpft sich in der Erbringung einer (Vermittlungs-)Dienstleistung. Der Einkaufsagent übt daher regelmäßig eine Routinefunktion (Rz. 1188) aus. Gleichwohl kann der Einkaufsagent über spezielles Einkaufs-Know-how (z.B. in Bezug auf Lieferanten, Qualitätsstandards, spezielle Angebote, Qualitätschecklisten, Datenbanken zur Einkaufshistorie und ggf. eine entsprechende Logistik-Software) verfügen. Seine Vergütung ermittelt sich üblicherweise auf Basis einer Provision, die sich als Prozentsatz vom Einkaufsvolumen bestimmt oder anhand der Kostenaufschlagsmethode ermittelt wird (zu Einzelheiten vgl. die Ausführungen zum Vertriebsagenten in Rz. 1241).
Rz. 1205
Einkaufskommissionär. Vergleichbar zum Einkaufsagenten erbringt auch die als Einkaufskommissionär organisierte Einkaufsgesellschaft eine (Vermittlungs-)Dienstleistung. Der wesentliche Unterschied zum Einkaufsagenten besteht allerdings darin, dass der Einkaufskommissionär die Waren im eigenen Namen (jedoch auf Rechnung des Kommittenten) einkauft. Üblicherweise erwirbt auch die als Einkaufskommissionär organisierte Einkaufsgesellschaft kein rechtliches oder wirtschaftliches Eigentum an den von ihr beschafften Waren. Die von einer als Einkaufskommissionär organisierten Einkaufsgesellschaft ausgeübten Funktionen entsprechen i.d.R. denjenigen des Einkaufsagenten (Rz. 1203), wobei der Einkaufskommissionär darüber hinaus häufig die Bearbeitung von Mängelrügen und Gewährleistungsfällen, das Verbindlichkeitsmanagement sowie das Einkaufscontrolling übernimmt.
Rz. 1206
Verrechnungspreisermittlung des Einkaufskommissionärs. Da der Einkaufskommissionär im eigenen Namen gegenüber den Lieferanten auftritt, ist ihm üblicherweise der Lieferantenstamm zuzuordnen. Allerdings ist das Marktrisiko der als Einkaufskommissionär organisierten Einkaufsgesellschaft i.d.R. begrenzt, da sie auf Rechnung des Kommittenten (z.B. der inländischen Muttergesellschaft) die Ware bezieht und infolgedessen weder ein Preis- noch ein Absatzrisiko trägt...