Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(1) Stehen Chancen und Risiken im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Vermögenswert im Sinne der §§ 5 bis 8 oder mit einem Geschäftsvorfall im Sinne des § 9, so sind diese Chancen und Risiken der Betriebsstätte zuzuordnen, der auch der betreffende Vermögenswert oder Geschäftsvorfall zuzuordnen ist.
Rz. 3141
Chancen und Risiken. § 2 BsGaV enthält keine Definition des Begriffs Chancen und Risiken, sodass es sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Aus der Verrechnungspreispraxis sind einerseits singuläre Geschäftschancen aus bereits abgeschlossenen Verträgen und andererseits unternehmerische Geschäftschancen, die sich auf das unternehmerische Gewinnpotential beziehen, bekannt. Die Risiken umfassen regelmäßig Marktrisiken (z.B. Produktions-, Beschaffungs- und Absatzschwankungen), Verlustrisiken, Vorratsrisiken, Gewährleistungs- und Produkthaftpflichtrisiken), Forschungs- und Entwicklungsrisiken, Wechselkursrisiken aufgrund von Kursschwankungen, Kreditrisiken aus Forderungsausfällen, Zinsrisiken sowie Auslastungsrisiken. Vor diesem Hintergrund lässt der Gegenstand der Zuordnungsregelung gem. § 10 BsGaV einen breiten Auslegungsspielraum zu.
Rz. 3142
Regelvermutung. Nach § 10 Abs. 1 BsGaV sind die Chancen und Risiken, die im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Vermögenswert i.S. der §§ 5 bis 8 BsGaV oder einem Geschäftsvorfall i.S. des § 9 BsGaV stehen, derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, der auch der Vermögenswert oder der betreffende Geschäftsvorfall zuzuordnen ist. Dieser Zuordnungsregel liegt die Annahme zugrunde, dass Chancen und Risiken dem Erwerb des fiktiven Eigentums an einem Vermögenswert bzw. der Zuordnung eines Geschäftsvorfalls durch die Betriebsstätte folgen. Ein unmittelbarer Zusammenhang liegt hierbei vor, wenn die Entstehung der Chancen und Risiken in einem unlösbaren Zusammenhang mit den Vermögenswerten oder Geschäftsvorfällen stehen, d.h. die Chancen und Risiken ohne die ihnen zugrunde liegenden Vermögenswerte oder Geschäftsvorfälle nicht existieren würden. Erwirbt z.B. die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Unternehmens eine Maschine, die ausschließlich und auf Dauer von einer Betriebsstätte in einem anderen Staat genutzt wird, ist die Maschine nach § 5 Absatz 1 BsGaV nach Maßgabe der Nutzung der Betriebsstätte im anderen Staat zuzuordnen (Anm. 3021). Damit ist auch das Risiko des Untergangs der Maschine durch eine fehlerhafte Nutzung dieser Betriebsstätte zuzuordnen.