Rz. 378
Für Genussrechte und Genussscheine gibt es keine Legaldefinition. Sie sind eine Schöpfung der Wirtschaftspraxis. Das AktG gebraucht den Begriff der Genussrechte ohne Legaldefinition in § 221 Abs. 3, 4 AktG. Hiernach dürfen Genussrechte nur aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung ausgegeben werden, der einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedarf. Außerdem haben die Aktionäre ein Bezugsrecht auf Genussrechte.
Die Möglichkeit, Genussrechte auszugeben, ist nicht an die Rechtsform der AG geknüpft; vielmehr können auch Unternehmen anderer Rechtsform Genussrechte ausgeben. Genussrechte können in Urkunden, den Genussscheinen, verbrieft sein. Diese können auf den Namen oder den Inhaber lauten. Ihre Übertragung richtet sich nach den Regeln über die Übertragung von Wertpapieren, d. h. bei Inhaberpapieren nach den §§ 929ff. BGB, bei Namenspapieren nach den §§ 398ff. BGB, bei Orderpapieren nach den §§ 363, 364 HGB. Genussscheine können zum Handel an der Börse zugelassen und somit zu einem fungiblen Finanzierungsmittel ausgestaltet werden.
Rz. 379
Genussrechte sind keine Mitgliedschaftsrechte, sondern Gläubigerrechte sui generis. Sie gewähren keinen Einfluss auf die Geschäftsführung, keine Kontrollrechte, kein Stimmrecht und kein Anwesenheitsrecht in der Gesellschafterversammlung. Sie sind nicht an die Stellung als Gesellschafter gebunden, können mit ihr aber verbunden werden. Genussrechte sind schuldrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschaft, die – anders als Stimmrechte – keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte vermitteln, dem Berechtigten aber vermögenswerte Rechte (Beteiligung am Gewinn und/oder Liquidationserlös) einräumen. Darüber hinaus verlangt der BFH in einer Entscheidung, dass die Rechte in großer Zahl und nicht nur vereinzelt begeben werden. Der letztgenannten Voraussetzung kann nicht zugestimmt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch einzelne Genussrechte unter diesen Begriff fallen sollen.
Rz. 380
Genussrechte können verschiedenste Rechte zum Gegenstand haben; so verschieden wie ihr Inhalt, sind auch die Motive für ihre Ausgabe. Aufgrund der in diesem Bereich bestehenden weitgehenden Vertragsfreiheit bedarf es zur handels- und steuerrechtlichen Einordnung des Instruments stets einer umfassenden Prüfung anhand des jeweils zugrundeliegenden Einzelfalls. Wichtige Inhalte von Genussrechten sind etwa:
- die Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös;
- die Beteiligung nur am Gewinn;
- die Beteiligung am Gewinn eines bestimmten Teilbetriebs, einer bestimmten geschäftlichen Aktivität usw.;
- eine feste Verzinsung;
- die Beteiligung am Gewinn, verbunden mit einer garantierten Mindestverzinsung.
Die Bezeichnung als "Genussrecht" hat demgegenüber allenfalls indizielle Bedeutung. Handelsrechtlich können Genussrechte auch aktienähnlich ausgestaltet sein. Dafür genügt die Beteiligung am Gewinn und Liquidationserlös noch nicht; es muss ein Rücktritt der Genussrechtsgläubiger hinter die Ansprüche der anderen Gläubiger hinzukommen. Ist das der Fall, nehmen die Genussrechtsgläubiger in haftungsrechtlicher Sicht eine den Aktionären vergleichbare Stellung ein. Dies entspricht auch der HFA-Stellungnahme 1/1994 Tz. 2.1.1, wonach die Nachrangigkeit des Genussrechtskapitals gegenüber den anderen Gläubigern, zusammen mit der Erfolgs- und auch Verlustbeteiligung bis zur vollen Höhe und Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung Voraussetzung für die Behandlung als bilanzielles Eigenkapital ist.
Rz. 381
Der Ausweis von Genussrechten in der Handelsbilanz hängt davon ab, ob den Genussrechten ein Genussrechtskapital zugrunde liegt, das als Gegenleistung für die Gewährung der Genussrechte auf die Körperschaft übertragen wurde, oder nicht. Genussrechte ohne Genussrechtskapital liegen etwa vor, wenn das Ergebnis bestimmter Patente usw. bestimmten Personen zugewendet werden soll, oder wenn Arbeitnehmern Genussrechte gewährt werden. Solche Genussrechte sind nicht zu passivieren; sie stellen keine gegenwärtige Verbindlichkeit dar.
Rz. 382
Genussrechte mit Genussrechtskapital sind dagegen zu passivieren. Sie sind, je nach Ausgestaltung, Verbindlichkeiten oder Eigenkapital der Körperschaft. Eigenkapital liegt vor, wenn das Genussrechtskapital langfristig gewährt wird, nur im Liquidationsfall zurückzuzahlen, also gegenüber (anderen) Verbindlichkeiten nachrangig ist, und im Fall der Insolvenz verloren ist (Haftungsfunktion und Nachrangigkeit). Die Einordnung als Fremd- oder Eigenkapital hängt auch davon ab, ob die Vergütung erfolgsabhängig ist, insbesondere Beteiligung am Verlust bis zur Höhe des Genussrechtskapitals vereinbart ist. Eine nicht erfolgsabhängige Vergütung schließt die Annahme von Eigenkapital aus. Andererseits stellt das Handelsrecht nicht darauf ab, ob eine Beteiligung am Liquidationserlös besteht. Im Zweifel ist Genussrechtskapital im Interesse des Gläubigerschutzes als Fremdkapital auszuweisen.