Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen
Rz. 18
Der Körperschaftsteuersatz weist eine enge Verbindung zu den Steuersätzen bei der ESt auf. Dies gilt in doppelter Hinsicht. Soweit Einkommen der Körperschaft thesauriert wird, ermöglicht dies der Körperschaft die Bildung von Eigenkapital, das mit dem Körperschaftsteuersatz belastet ist. Da die Körperschaft als selbstständiges Rechtssubjekt am wirtschaftlichen Lieferungs- und Leistungsverkehr teilnimmt, steht sie im Konkurrenzverhältnis zu anderen Wirtschaftseinheiten, die nicht als Körperschaft organisiert sind (Einzelunternehmen, Personengesellschaften). Die Bildung von mit dem Körperschaftsteuersatz belastetem Eigenkapital konkurriert daher mit von natürlichen Personen (Personengesellschaften) gebildetem Eigenkapital, das mit dem persönlichen Steuersatz der Unternehmer belastet ist. Je nachdem, ob der Körperschaftsteuersatz höher oder niedriger ist als der persönliche Steuersatz einer natürlichen Person, kann die Bildung von Eigenkapital in der Körperschaft steuerlich begünstigt oder benachteiligt werden. Dadurch können erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen Körperschaften und nicht als Körperschaften organisierten Unternehmen resultieren. Aus dem Prinzip der rechtsformneutralen Besteuerung (vgl. Rz. 23) folgt das Postulat, dass der Körperschaftsteuersatz dem Spitzensteuersatz der ESt entsprechen sollte.
Rz. 19
Die zweite Beziehung zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuersatz resultiert aus der Beziehung zum Anteilseigner. Der Anteilseigner, der durch seine Investition in die Kapitalgesellschaft mittelbar am Wirtschaftsverkehr teilnimmt, erwartet, dass seine Steuerbelastung aus dieser mittelbaren Teilnahme am wirtschaftlichen Lieferungs- und Leistungsverkehr nicht höher ist, als wenn er sich unmittelbar als Unternehmer daran beteiligen würde. Da die Investition in die Körperschaft regelmäßig eine Doppelbesteuerung hervorruft (vgl. Rz. 41), erfordert der Grundsatz der rechtsformneutralen Besteuerung aus diesem Gesichtspunkt eine wesentliche Reduzierung der Körperschaftsteuerbelastung, damit die Gesamtbelastung (Körperschaft und Anteilseigner) nicht höher ist als die Belastung eines Einzelunternehmers. Auf dieser Überlegung beruht die Reduzierung des Steuersatzes für ausgeschüttete Gewinne (gespaltener Steuersatz, vgl. Rz. 68).
Rz. 20
Das Verhältnis des Körperschaftsteuersatzes zum Einkommensteuersatz ist daher ambivalent. Auf der einen Seite ergibt sich ein Paradoxon aus dem Postulat der Steuerneutralität der Rechtsformen. Aus der Sicht des als Einzelunternehmen oder Personengesellschaft organisierten Konkurrenzunternehmens erfordert dieses Postulat, dass wirtschaftlich gleiche Aktivitäten (gewerbliche Betätigung) unabhängig von der Rechtsform gleich besteuert werden, der Körperschaftsteuersatz mithin dem Einkommensteuerspitzensatz entspricht. Aus der Sicht des Gesellschafters erfordert das gleiche Postulat, den Körperschaftsteuersatz deutlich unter dem Einkommensteuerspitzensatz anzusetzen, um die körperschaftsteuerliche Doppelbelastung zu berücksichtigen.
Rz. 21
Auf der anderen Seite sind Personengesellschaft bzw. Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaft nicht in jeder Hinsicht vergleichbar. Die Tatsache, dass die Körperschaft eine von den Gesellschaftern getrennte Person ist, das Einzelunternehmen bzw. die Personengesellschaft aber nicht, darf auch steuerlich nicht ignoriert werden. Dies führt dazu, dass der Grundsatz der rechtsformneutralen Besteuerung bestenfalls ein Postulat ist, nicht aber ein subsumierbares bindendes Regelungsprinzip. Vom Einkommensteuerspitzensatz abweichende Körperschaftsteuersätze sind daher nicht ausgeschlossen, jedenfalls per se noch kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG. Natürliche Person bzw. Personengesellschaft und Körperschaft sind in ihrer rechtlichen Struktur so unterschiedlich, dass daran auch eine unterschiedliche steuerliche Belastung geknüpft werden kann. Außerdem wird keine bestimmte Rechtsform generell benachteiligt. Für jede Rechtsform gibt es spezielle steuerrechtliche Regelungen, die sich günstig, aber auch ungünstig auswirken können. So stehen den Vorteilen, die Körperschaften aus dem niedrigen Steuersatz und der Abzugsmöglichkeit für Tätigkeits- und Leistungsvergütungen ziehen, z. B. bei der natürlichen Person bzw. der Personengesellschaft die Möglichkeit der Verlustverrechnung und die Gewerbesteuerminderung des § 35 EStG gegenüber. Auch kennt die ESt, im Gegensatz zu der KSt, einen progressiven Tarif und sozialpolitisch bedingte Steuerentlastungen.
Daraus folgt, dass aus der unterschiedlichen Struktur der Besteuerung kein allgemeiner Gleichheitsverstoß nach Art. 3 GG abgeleitet werden kann. Denn allgemein verstoßen Vor- und Nachteile einzelner Regelungskomplexe nicht gegen den Gleichheitssatz, solange sie sich bei einer Gesamtwürdigung annähernd ausgleichen. Darum ist ein selektiver Vergleich einzelner Steuernormen ohne Rücksicht auf ihren normativen Kontext verkürzend und verleitet zu Fehlschlüssen.
Rz. 22
Steuerpolitisch ist di...