Rz. 321
Die Mitunternehmerinitiative ist die Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie regelmäßig nur Gesellschaftern, Prokuristen, Geschäftsführern oder anderen leitenden Angestellten zukommt. Es ist nicht entscheidend, ob der Beteiligte diese Teilhabe tatsächlich nutzt oder in welchem Umfang er die Entscheidungsprozesse beeinflusst, sondern es genügt bereits die bloße Möglichkeit der Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Beteiligte seiner Stellung innerhalb der Gesellschaft gar nicht bewusst war oder diese zivilrechtlich noch nicht eingetreten ist.
"Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen" besteht darin, selbstverantwortlich unternehmerische Entscheidungen zu treffen, d. h., mit Entscheidungsbefugnis die Geschäfte zu führen. Die Erlaubnis, die Gesellschaft nach außen zu vertreten, ist keine notwendige Voraussetzung, wenn die Entscheidungsbefugnis sich bereits aus dem Innenverhältnis ergibt. Andererseits kann trotz Beschränkungen im Innenverhältnis auch eine umfassende Generalvollmacht im Außenverhältnis eine Mitunternehmerinitiative begründen.
Rz. 322
Die Möglichkeit, Gesellschaftsrechte auszuüben, die den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten entsprechen, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB, reicht regelmäßig bereits für die mitunternehmerische Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen aus. Es macht auch keinen Unterschied, ob die Gesellschafter diese Rechte einzeln oder nur mit mehreren und/oder ggf. über eine dritte Institution (z. B. Beirat) ausüben können. Beurteilungsschwierigkeiten ergeben sich aber regelmäßig, wenn einzelne oder alle o. g. Gesellschafterrechte durch Gesellschaftsvertrag oder faktisch ausgeschlossen sind. Insofern gilt das Folgende:
Im Hinblick auf die Stimmberechtigung ist die Vereinbarung einer allgemeinen Mehrheitsklausel an sich noch kein Grund, eine Mitunternehmerinitiative zu verneinen, es sei denn sie erstreckt sich auch auf alle nicht periodischen Entscheidungen (z. B. die Auflösung der Gesellschaft, Satzungsänderungen), sodass der Minderheitsgesellschafter den Mehrheitsgesellschafter in keinem Fall an der Beschlussfassung hindern kann. Diese Grundsätze gelten ebenso für Beschränkungen der Widerspruchsrechte. Sind dagegen Kontrollrechte gem. § 166 HGB eingeschränkt, lässt dies die Mitunternehmerstellung regelmäßig unangetastet, da sie mangels Einflussmöglichkeit auf die tatsächlichen Entscheidungen der Geschäftsführung allein ohnehin keine Mitunternehmerinitiative begründen. Letzteres gilt auch für die Kontrollrechte gem. § 716 BGB.
Die vorstehenden – von der Rspr. entwickelten – Grundsätze sind im Ergebnis zutreffend. Fraglich ist, ob sich die Beurteilung der Kontrollrechte durch das MoPeG (ab 1.1.2024; Rz. 218a) ändern muss. Hierdurch wird den Kommanditisten nach § 166 Abs. 1 HGB n. F. ein umfassender Auskunftsanspruch über "die Gesellschaftsangelegenheiten" eingeräumt, der nicht mehr beschränkbar ist (§ 166 Abs. 2 HGB n. F.). Bislang ist das Informationsrecht des Kommanditisten formal auf den Jahresabschluss beschränkt (§ 166 Abs. 1 HGB.). M. E. ist dies aber nicht der Fall. Zum einen sind bereits jetzt weitergehende Informationsansprüche des Kommanditisten im Schrifttum anerkannt. Zum anderen mag die neue Kontrollposition des Kommanditisten mehr Druck auf die Komplementäre oder den zur Geschäftsführung und Vertretung befugten Personenkreis entwickeln, sie führt – für sich genommen – aber nach wie vor nicht dazu, dass der Kommanditist fortan Einfluss auf die tatsächliche Geschäftsführung bzw. die unternehmerischen Entscheidungen hat. Denn auch § 166 HGB n. F. sieht als reine Informationsanspruchsgrundlage keine Druckmittel vor, die der Kommanditist ausüben könnte, falls ihm die Führung der Geschäfte nicht zusagt. Letztlich spricht hierfür auch der Zweck der Änderung des § 166 HGB, die Rechtslage lediglich um die ohnehin – in der rechtswissenschaftlichen Literatur und Rspr. anerkannten – Fallgruppen zu ergänzen.
Rz. 323
Die Stellung des Beteiligten als Geschäftsführer ist zwar nicht notwendige Voraussetzung, regelmäßig aufgrund dessen weitreichender Entscheidungsbefugnisse aber hinreichend für die Annahme einer Mitunternehmerinitiative. Der Umstand, dass die Berechtigung mehrerer zur Geschäftsführung zu gegenseitigen Mitsprache- oder sogar Vetorechten führen kann, ist unschädlich; die Möglichkeit, gestaltend mitzuwirken, wird dadurch nicht berührt. Mitunternehmerschaft ist gemeinsames Handeln zu einem gemeinsamen Zweck. Für die Mitunternehmerinitiative genügt es deshalb, wenn der Beteiligte im Rahmen seiner rechtlichen oder faktischen Stellung eigenverantwortlich Einfluss auf die wesentlichen Geschäftsentscheidungen nehmen kann. Dies ist auch bei Einzelgeschäftsführung (z. B. als kaufmännischer und technischer Geschäftsführer) anzunehmen, da jeder ...