Rz. 22

Nicht eindeutig geregelt ist, was gilt, wenn ein Wirtschaftsgut übertragen wird und der Erwerber als (Teil seiner) Gegenleistung eine Verpflichtung des Veräußerers übernimmt, die einer Passivierungsbeschränkung unterliegt. Solange in diesem Fall die stillen Reserven im übertragenen Wirtschaftsgut die stillen Lasten in der übertragenen Verpflichtung übersteigen, kommt es zu einem Veräußerungsgewinn.

 
Praxis-Beispiel

Veräußerungsgewinn bei Drohverlustrückstellung

Ein Stpfl. überträgt ein vermietetes Gebäude, das ungünstig langfristig vermietet ist. Der Buchwert des Gebäudes beträgt 1 Mio. EUR, sein gemeiner Wert 2,5 Mio. EUR. Wegen des ungünstigen Mietvertrags wurde in der Handelsbilanz des Veräußerers eine Drohverlustrückstellung i. H. v. 0,7 Mio. EUR gebildet. Der Erwerber ist bereit, nach Abzug der Drohverlustrückstellung einen Kaufpreis i. H. v. 1,8 Mio. EUR zu zahlen. Es entsteht ein Veräußerungsgewinn i. H. v. 1,8 Mio. ./. EUR 1 Mio.= 0,8 Mio. EUR.

 

Rz. 23

§ 4f Abs. 1 S. 1 EStG könnte so zu verstehen sein, dass der Betrag, um den die Realisierung der stillen Lasten den Veräußerungsgewinn reduziert (im Beispiel 0,7 Mio. EUR), isoliert betrachtet werden muss und insoweit einen Aufwand i. S. d. § 4f Abs. 1 S. 1 EStG darstellt. Dieser wäre dann außerbilanziell hinzuzurechnen und als Aufwand über 15 Wirtschaftsjahre zu verteilen. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass ein zu verteilender Aufwand aus einem Übertragungsvorgang auch dann nicht mit Gewinnen aus anderen Geschäftsvorfällen verrechnet werden könne, wenn diese in mittelbarem oder sogar unmittelbaren Zusammenhang mit dem Aufwand aus dem Übertragungsvorgang stünden.[1] Diese einzel- bzw. geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise[2] kann durchaus so verstanden werden, dass auch in dem oben geschilderten Beispielsfall eine Verteilung des fiktiven Aufwands erfolgen muss. In der Literatur ist dies umstritten. Für eine Verteilung eines (fiktiven) Aufwands in solchen Fällen über 15 Wirtschaftsjahre könnte angeführt werden, dass S. 4 nur für die Teilbetriebsveräußerung explizit anordnet, dass eine Aufwandsverteilung nur insoweit erfolgt, als ein Veräußerungsverlust entsteht oder sich dieser erhöht. Gegen diese Lösung spricht indes, dass tatsächlich kein Veräußerungsverlust entsteht, sondern lediglich ein höherer Veräußerungsgewinn verhindert wird. Es würde also nicht nur ein tatsächlicher Verlust steuerlich nicht anerkannt, sondern ein fiktiver Gewinn der Besteuerung unterworfen. Eine derart weitgehende Abweichung vom Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit würde jedoch einer klareren gesetzlichen Anordnung bedürfen. Diesem Ergebnis steht m. E. nicht entgegen, dass der Gesetzgeber das Problem nur für die Teilbetriebsveräußerung oder -aufgabe geregelt hat. Die Regelung zum Teilbetrieb dürfte vielmehr Ausdruck des allgemeinen Prinzips sein, das § 4f EStG zugrunde liegt, dass nämlich nur tatsächliche Verluste nicht sofort abziehbar sein sollen, die Besteuerung fiktiver Gewinne aber ausgeschlossen ist (str.).[3]

[2] Riedel, UbG 2017, 580f.
[3] Wie hier Förster/Werthebach, BB 2019, 299, 300; Förster/Staaden, Ubg 2014, 1; Widmann, in FS Haarmann (2015), 1017, 1036; krit. auch Prinz/Otto, GmbHR 2018, 497, 500; a. A. Benz/Placke, DStR 2013, 2653; Schumann, EStB 2014, 65; Horst, FR 2015, 824, 826; wohl auch Schindler, GmbHR 2014, 561 sowie Klein, Die Bilanzielle Abbildung der Auslagerung von Pensionsverpflichtungen nach Handels- und Steuerrecht, 2016, 192.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge