Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1995
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versteuerung von Kursgewinnen bei der Zwischenveräußerung von sogenannten reverse floatern für den Veranlagungszeitraum 1995.
Der Kläger erwarb am 21.4.1994 Inhaberteilschuldverschreibungen einer Anleihe der … Bank …, im Gesamtnennwert von 90.000,– DM zu einem Kurs von 112,50 DM. Die Anleihe hat eine Laufzeit vom 29.8.1990 bis zum 28.8.2000. Die Teilschuldverschreibungen wurden laut Emissionsprospekt vom 29.8.1990 bis zum 28.8.1993 mit 9 1/2 % jährlich verzinst. Vom 29.8.1993 bis 28.8.2000 erfolgt eine halbjährliche Verzinsung mit 15 1/8 % abzüglich dem „Sechs-Monats-DM-Libor” zum festgelegten Stichtag, vorausgesetzt, die Differenz ist größer als 0 %. Beträgt der Zinssatz danach 0 % oder weniger als 0 %, erfolgt für die jeweilige Periode keine Zinszahlung. „Sechs-Monats-DM-Libor” ist der Zinssatz, der im Londoner Interbanken-Markt auf der Basis des Zinssatzes für Sechs-Monats-DM-Einlagen laut Telerate-Monitordienst-Bericht zugrunde gelegt wird. Stichtag für die Zinsfestlegung ist der zweite Londoner Bankarbeitstag vor Beginn der jeweiligen halbjährlichen Zinsperiode. Der Erstausgabekurs der Anleihe betrug 1990 100,80 %. Die Rückzahlung der Anleihe erfolgt am Zinszahlungstermin 28.8.2000 zum Nennwert.
Von den erworbenen Inhaberteilschuldverschreibungen veräußerte der Kläger einen Teilbetrag von 10.000,– DM am 5.9.1995 zum Kurs von 114,– DM und einen weiteren Teilbetrag von 50.000,– DM am 24.11.1995 zu einem Kurs von 118,75 DM. Den jeweiligen Kursgewinn von 150,– DM bzw. 3.125,– DM erfaßte die Depotbank als sogenannte Marktrendite. Der Beklagte behandelte die Kursgewinne als steuerpflichtige inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen und unterwarf sie der Besteuerung.
Nach erfolglosem Einspruch begehrt der Kläger weiterhin, für das Streitjahr 1995 die Kursgewinne steuerfrei zu belassen. Der Kläger ist der Auffassung, abweichend vom Wortlaut des § 20 Einkommensteuergesetz (EStG) seien bei den sogenannten reverse floatern keine Kursgewinne bei vorzeitiger Veräußerung zu versteuern, soweit es sich nicht um Spekulationsgewinne handele. Nach Sinn und Zweck der Neuregelung solle § 20 EStG verhindern, daß bei sogenannten Finanzinnovationen eigentlich steuerpflichtige Zinserträge in steuerfreie Wertzuwächse umgewandelt werden könnten. Dies sei bei reverse floatern nicht der Fall. Zwischenzeitlich aufgetretene Wertzuwächse seien umlaufbedingt und auf den Markt zurückzuführen. Zinsähnliche Wertsteigerungen seien bei reverse floatern gerade ausgeschlossen. Im übrigen sei es unverständlich, warum floater laut BMF-Erlaß steuerlich anders behandelt würden als reverse floater.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 5.9.1997 dahingehend abzuändern, daß der zusätzlich zu vereinahmten Zinsen vom Beklagten als steuerpflichtig angesehene Kursgewinn eines reverse floaters – nach Ablauf der Spekulationsfrist – als sogenannte Marktrendite in Höhe von 3.275,– DM bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unberücksichtigt bleibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, daß dem Wortlaut des § 20 EStG entsprechend die sogenannte Marktrendite bei der vorzeitigen Veräußerung von reverse floatern als Veräußerungsgewinn zu erfassen sei.
Dem Gericht lag ein Band Einkommensteuerakten 1993 bis 1995 vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Kursgewinn aus der vorzeitigen Veräußerung der Teilschuldverschreibungen im Streitjahr 1995 als sogenannte Marktrendite der Besteuerung unterworfen, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 c bzw. d EStG.
Bei den von dem Kläger erworbenen Inhaberteilschuldverschreibungen handelt es sich um sogenannte reverse floater: Die Wertpapiere sind nach Ablauf der Festzinsperiode ab dem 29.8.1993 als variabel verzinsliche Schuldverschreibungen ausgestaltet, bei denen die Zinsanpassung durch Abzug des Referenzzinses von einem Nominalzins erfolgt (vgl. nur Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, ESt- und KStG, 21. Aufl. 1996, Stand 12/1998, § 20 EStG Anm. 850 „reverse floater”). Nach der Neufassung des § 20 EStG durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 (StMBG) erfaßt § 20 Abs. 2 EStG auch Zwischengewinne aus der Veräußerung sogenannter Finanzinnovationen wie der reverse floater. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG unterfällt die Veräußerung von reverse floatern sowohl dem Buchstaben c, 2. Alternative (Kapitalertrag in ungewisser Höhe) als auch dem Buchstaben d (Kapitalertrag in unterschiedlicher Höhe) (vgl. Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 20 EStG, Anm. 1105, 1111; Dötsch in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20, Rdz. O 79; Scheuerle, DB 1994, 445, 450). Der zumindest nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 EStG bei der Veräuße...