Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorwegabzug bei fehlenden Zukunftssicherungsleistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Soweit ein Arbeitgeber ein an sich sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis in ein „freies Mitarbeiterverhältnis” umqualifiziert und keine Leistungen zur Zukunftssicherung erbringt, ist bei der Berechnung des Sonderausgabenhöchstbetrages nach § 10 Abs. 3 EStG keine Kürzung des Vorwegabzugs vorzunehmen.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2, § 3 Nr. 62; LStDV § 1 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1997

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.01.2004; Aktenzeichen XI R 38/02)

 

Tatbestand

Die Klägerin war bis zum 30.09.1996 als angestellte Fachärztin für Radiologie bei der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. med. G, H, M tätig. Mit Wirkung zum 01.10.1996 schlossen die Gemeinschaftspraxis und die Klägerin einen Kooperationsvertrag, nach dem die Klägerin zu diesem Zeitpunkt als ärztliche (freie) Mitarbeiterin in die Gemeinschaftspraxis eintrat. Nach der Präambel dieses Kooperationsvertrages wollten die Praxisinhaber und die Klägerin als frei praktizierende Ärzte kollegial zusammenarbeiten. Die Bezeichnung „Praxisinhaber” und „freie Mitarbeiterin” sei lediglich zur Klarstellung der wirtschaftlichen und steuerlichen Gegebenheiten gewählt worden. Gemäß §§ 705 ff. BGB liege faktisch eine BGB-Gesellschaft vor. Die Klägerin sei jedoch nicht Mitunternehmerin der Betriebsstätte der Praxisinhaber. Diese Vereinbarung sei gewählt worden, um beiden Parteien ggf. den Zusammenschluss gemäß dem UmwStG zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen. Ein Anstellungsverhältnis werde auch nicht begründet. Eine medizinische Weisung seitens der Praxisinhaber, eine Weiterbildung bzw. eine kassenärztliche Unterweisung finde nicht statt. Eine Knebelung, wirtschaftliche Abhängigkeit oder Ausnutzung der freien Mitarbeiterin sei ebenso ausgeschlossen. Nach § 1 (2) dieses Vertrages sollten auf das (freie) Mitarbeiterverhältnis keine arbeitsrechtlichen Vorschriften Anwendung finden. Nach § 3 (1) b wurde eine Tätigkeit (der Klägerin) fest vereinbart, die einer Ganztagstätigkeit in der radiologischen Gemeinschaftspraxis entspricht, die regelmäßig an fünf Arbeitstagen pro Woche abzuleisten war. Die regelmäßig zu zahlende monatliche Vergütung betrug nach § 4 (1) a XXXX DM. Für Steuern, Alters- und sonstige Versicherungen hatte die Klägerin alleine aufzukommen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den schriftlichen Kooperationsvertrag sowie den Schiedsvertrag (Blatt 22 bis 35 der Einkommensteuerakte) verwiesen.

Die Gemeinschaftspraxis führte ab dem 01.10.1996 keine Sozialversicherungsbeiträge mehr für die Klägerin ab. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelte die Klägerin ihren Gewinn aus selbstständiger Arbeit aus ihrer Tätigkeit für die Gemeinschaftspraxis mit XXXX,-- DM. Das Finanzamt behandelte die von der Klägerin für ihre Tätigkeit für die Gemeinschaftspraxis erhaltenen Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit, da die Vereinbarungen in dem Kooperationsvertrag so getroffen seien, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin und nicht als Unternehmerin anzusehen sei. So sei z.B. ein Ausschluss des unternehmerischen Risikos, eine feste Vergütung sowie eine Urlaubs- und Arbeitszeitregelung vereinbart worden. Es sei daher davon auszugehen, dass zwischen der Klägerin und der Gemeinschaftspraxis ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestehe und infolge dessen der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 6.000,-- DM nach Satz 2 a dieser Vorschrift auf 0,-- DM zu kürzen sei. Den dagegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass es sich bei ihren Einkünften um solche aus selbstständiger Arbeit handele. Dementsprechend zahle sie auch für ihre Alterssicherung monatlich eine bestimmte festgesetzte Summe (derzeit XXX DM) an das Versorgungswerk der Landesärztekammer ein. Daneben fielen, wie üblich, noch u.a. Kosten für eine freiwillige Krankenversicherung (derzeit XXX DM) an. Insgesamt habe sie in 1997 XXX,-- DM an Vorsorgeaufwendungen geleistet. Die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben seien daher um 6.000,-- DM zu erhöhen. Mit Einspruchsentscheidung vom 06.01.2000 wies das Finanzamt den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, zu deren Begründung die Klägerin nunmehr vorträgt, es sei zwar richtig, dass sie in 1997 Arbeitnehmerin gewesen sei, sodass das Finanzamt zutreffend ihre von der Gemeinschaftspraxis erhaltenen Einnahmen in solche aus nichtselbstständiger Arbeit umqualifiziert habe. Die Voraussetzungen für eine Kürzung des Vorwegabzuges nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2a EStG lägen aber nicht vor. Eine solche Kürzung käme nach dem Gesetzeswortlaut nur in Betracht, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen im Sinn des § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehöre. Da für die Klägerin weder in 1997 noch zu einem - späteren - Zeit...

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