Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit von Schulgeldzahlungen ein sog. Europaschulen
Leitsatz (redaktionell)
1. Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung von Schulgeldzahlungen ist die tatsächliche Erteilung der staatlichen Genehmigung als Ersatzschule; die Genehmigungsfähigkeit reicht insoweit nicht aus.
2. Die sog. Europaschulen, die auf völkerrechtlicher, innerstaatlich ratifizierter Vereinbarung der EG-Mitgliedstaaten beruhen, sind nicht als begünstigte öffentlich-rechtliche Ersatzschulen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG anzuerkennen.
3. Die Versagung des Schulgeldabzuges für eine sog. Europaschule im Ausland beeinträchtigt den Steuerpflichtigen nicht in seinem Recht auf Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 (Art. 43) EG-Vertrag.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9; EGVtr Art. 52; EGtr Art. 43
Streitjahr(e)
1994, 1995
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und ist 1989 mit seiner Familie (3 Kinder) nach Brüssel gezogen, um sich dort als selbstständiger Rechtsanwalt niederzulassen und das auf EU-Recht spezialisierte Büro einer deutschen Rechtsanwaltssozietät, der er angehört, aufzubauen. Seine Kinder besuchten dort die „Europäische Schule”, wofür Schulgeld in Höhe von DM 4.911,-- in 1994 und DM 5.072,-- in 1995 zu entrichten war.
Auf seinen Antrag wurde der Kläger in den Streitjahren nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt und zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.
Für die Streitjahre 1994 und 1995 hat das beklagte Finanzamt am 10.07.2000 zur Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Freistellung des Existenzminimums für Kinder geänderte Bescheide erlassen. Diese wurden gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Mit der Klage begehrt der Kläger die steuerliche Berücksichtigung von 30% der geleisteten Schulgeldzahlungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Bei der gebotenen europarechts- und verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift zähle auch die „Europaschule” in Brüssel als „öffentlich-rechtliche Ersatzschule” zu den begünstigten Schulen. Bei den Europäischen Schulen handele es sich um öffentlich-rechtliche Anstalten des zwischenstaatlichen europäischen Rechts, die auf völkerrechtlicher, innerstaatlich ratifizierter Vereinbarungen der EG-Mitgliedstaaten beruhen. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen seien Europäische Schulen u.a. in Brüssel, München und Karlsruhe entstanden. Sie stünden nicht nur Kindern von Bediensteten von EG-Institutionen offen, sondern gegen Zahlung eines Schulgeldes auch anderen Kindern. Die Verantwortung für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems der Europäischen Schulen verbleibe in vollem Umfang bei den Mitgliedsstaaten. Die deutschen Unterrichtssektionen der Europäischen Schulen seien sachlich und personell wie deutsche öffentliche Schulen eingerichtet. Bei den Lehrkräften handele es sich um deutsches Lehrpersonal, das an die Europäischen Schulen abgeordnet wurde. Die Lehrpläne seien mit den Plänen der deutschen öffentlichen Schulen vergleichbar. Das Abitur sei auch in Deutschland anerkannt.
Die Feststellungen des Bundesfinanzhofs in einer zur Europäischen Schule in München ergangenen Entscheidung, die Europäischen Schulen stünden als internationale Organisationen - ebenso wie Schulen im Ausland außerhalb des staatlichen Schulrechts und seien nicht - wie staatlich genehmigte oder nach Landesrecht erlaubte Ersatzschulen und nach Landesrecht anerkannte allgemeine Ergänzungsschulen, „in besonderer Weise in das staatliche Schulsystem eingegliedert”, seien daher sachlich und rechtlich unzutreffend.
Der einzige Unterschied zwischen den in § 10 Abs. 1 Nr. 9 ausdrücklich erwähnten privaten Ersatzschulen und den Europäischen Schulen bestehe darin, dass diese private Ersatzschulen, die Europäischen Schulen jedoch öffentlich-rechtliche Ersatzschulen seien. Dieser Unterschied sei jedoch rechtlich unerheblich und durch eine analoge Anwendung der Vorschrift zu beseitigen.
Die Versagung des Schulgeldabzugs behindere den Kläger zudem in seinem Recht auf Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 EG-Vertrag, jetzt Art. 43 EG. Die Vorschrift verbiete „Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates.” Das Verbot der Beschränkung richte sich nicht nur gegen den Aufnahmestaat, sondern auch an den früheren Heimatstaat. Es sei weit zu verstehen und erfasse auch Umstände, die sich nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar auf die Erwerbstätigkeit auswirken. Beschränkungen seien nur zur Verfolgung eines berechtigten Zweckes aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zulässig. Es sei deshalb eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.
Die Kläger beantragen,
1. den Einkommensteuerbescheid 1994 in der Gestalt des geänderten Bescheids vom 10. Juli 2000 dahingehend abzuändern, dass die Sonderausgaben um die geltend gemachten Aufwendu...