vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung des Kaufpreisanteils für noch zu erbringende Erschließungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Veräußert eine Gemeinde ein unerschlossenes Grundstück zu einem einheitlichen Kaufpreis und wird das erschlossene Grundstück zum Gegenstand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs gemacht, so ist trotz der Erschließungslast der Gemeinde der auf die zukünftige Erschließung entfallende Kaufpreisanteil Gegenleistung für den Grundstückserwerb.
- Der Einbeziehung des anteiligen Kaufpreises in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer steht nicht entgegen, dass vor dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages noch keine sachliche Erschließungsbeitragspflicht entstanden war.
Normenkette
GrEStG § 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
2018
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und ihr Ehemann erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 27.09.2018 (UR-Nr. … des Notars A mit Amtssitz in B) das im Grundbuch von C, Blatt …, lfd.Nr. …, Flur … Flurstück … eingetragene Grundstück zu Miteigentum, und zwar die Klägerin zu 40 % und der Ehemann zu 60 %. Verkäuferin des Wohnbaugrundstücks war die Gemeinde. Der Verkauf erfolgte unter Anwendung der gemeindeeigenen Richtlinien für die Vergabe gemeindeeigener Wohnbaugrundstücke unter Bauauflage zu einem um 24 % geminderten Kaufpreis bezogen auf das Grundstück ohne Erschließungskosten.
Der Kaufpreis betrug nach § 5 Abs.1 des Vertrages …€, wovon nach Erklärung der Vertragsparteien in Abs.2 des Vertrages …€ auf den verkauften Grund und Boden und … € auf die Erschließungskosten entfallen sollen. Nach § 8 Abs.1 des Vertrages sind im Kaufpreis sämtliche Kosten der Ersterschließung des Vertragsbesitzes enthalten, welche von der Gemeinde (Verkäuferin) bereits erbracht wurden bzw. noch zu erbringenden Ver- und Entsorgungsanlagen (Straßen, Straßenbeleuchtung, Erstellung von öffentlichen Grünflächen, Abwasseranlagen, Bürgersteig usw.). Diese sind vom Käufer nicht mehr zusätzlich zu erbringen. Nach § 8 Abs.2 des Vertrages ist dem Käufer bekannt, dass das Baugebiet zunächst durch eine Baustraße … erschlossen wird und bis zur Fertigstellung der Erschließungsanlagen baubedingt mit Verschmutzungen … zu rechnen ist. Die Baustraße soll … voraussichtlich bis … fertiggestellt werden. …
Nach § 7 des Vertrages sollte der Besitz und die Nutzungen, die Gefahr und die Lasten u.a. erst nach schriftlicher Freigabeerklärung des Verkäufers nach erfolgter Ersterschließung erfolgen. Nach § 4 Abs.4 Satz 2 des Vertrages erfolgte noch keine Bewilligung und Beantragung der Eintragung der Auflassung im Grundbuch; vielmehr wurde der Notar nach Satz 4 dazu bevollmächtigt mit der Weisung, die Umschreibung erst nach Zahlung des Kaufpreises zu veranlassen. Nach § 4 Abs.4 Satz 3 des Vertrages muss der Verkäufer dem Käufer das Eigentum Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Kaufpreises verschaffen.
Am 18.11.2018 erließ das beklagte Finanzamt gegen jeden der Erwerber, die nach dem Vertrag die Grunderwerbsteuer zu tragen hatten, jeweils einen Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem es für den Kaufvertrag nach einer Bemessungsgrundlage von … € unter hälftiger Aufteilung auf jeden Erwerber mit 6% daraus, mithin je …€, Grunderwerbsteuer festsetzte.
Hiergegen erhoben die Klägerin und ihr Ehemann jeweils am 12.12.2018 Einspruch, mit dem neben der fälschlich angesetzten hälftigen Miteigentumsquote die Einbeziehung der anteiligen Erschließungskosten von … € in die Bemessungsgrundlage gerügt wurde. Am 18.02.2019 erließ das Finanzamt zunächst geänderte Grunderwerbsteuerbescheide, mit denen es die gerügte fehlerhafte Miteigentumsquote einspruchsgemäß auf 60/40 korrigierte und zu Lasten des Ehemannes die Grunderwerbsteuer auf …. € erhöhte bzw. für die Klägerin auf …€ minderte. Mit Einspruchsentscheidungen vom 08.08.2019, jeweils am 12.08.2019 zur Post gegeben, wies das Finanzamt die Einsprüche zurück.
Mit am 13.09.2019 erhobener Klage begehrt die Klägerin die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer im Hinblick auf eine Herausnahme des Erschließungskostenanteils von … € aus der Bemessungsgrundlage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Grundstück erschließungsbeitragsrechtlich nicht erschlossen gewesen sei, weil die erschließungspflichtige Gemeinde ein eigenes Grundstück veräußert habe, so dass keine sachliche Erschließungsbeitragspflicht entstehen kann, solange es in ihrem Eigentum steht. Die Gemeinde habe nur von der Möglichkeit der Vereinbarung über die Ablösung der künftigen Erschließungsbeiträge nach § 133 Abs.3 Satz 5 des Baugesetzbuchs – BauGB – Gebrauch gemacht. Für die Gemeinde ergebe sich bei Veräußerung eines noch nicht erschlossenen Grundstücks – wie hier – nur die Möglichkeit einer formellen Beitragsveranlagung oder – wie im Streitfall als Ausnahme vom gesetzlichen Verbot vertraglicher Vereinbarungen über Erschließungskosten – einer Vereinbarung über die Ablösung zukünftiger Ers...