Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung von Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld in so genannten Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften als steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG
Leitsatz (redaktionell)
- Die einvernehmliche Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses steht der Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG nicht entgegen, wenn die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst ist, das heißt wenn dieser die entscheidende Ursache für die Auflösung gesetzt hat und die Initiative zur Auflösung von ihm ausgegangen ist.
- Bei einem Wechsel des Arbeitgebers kommt ist zur Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG darauf an, ob die Zahlung als sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folge eines Arbeitsplatzverlustes anzusehen ist. Entscheidend ist, ob sich das neue Arbeitsverhältnis als Fortsetzung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses darstellt.
- Eine endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist zu verneinen, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei einem Arbeitgeber erfolgt, der unternehmensrechtlich mit dem bisherigen Arbeitsgeber verbunden ist.
- Erfolgt die Weiterbeschäftigung bei einer externen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, um den bisherigen Arbeitnehmer für einen befristeten Zeitraum zu beschäftigen und weiter zu qualifizieren und wird dabei ersichtlich die Möglichkeit der Zahlung von Kurzarbeitergeld durch die Arbeitsverwaltung nach § 175 SGB III ausgenutzt, wird das bisherige Arbeitsverhältnis endgültig beendet und ein neues befristetes Arbeitsverhältnis mit einer anderen fremden juristischen Person begründet.
- Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld, die aufgrund von Vereinbarungen im Sozialplan zum Ausgleich der durch die strukturelle Kurzarbeit verursachten Einkommensminderung gezahlt werden, fallen unter Abfindungen im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG, soweit sie durch den Arbeitsplatzverlust infolge der Auflösung des Dienstverhältnisses veranlasst sind.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 9
Streitjahr(e)
1998, 1999
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1983 bei der A in X als Feinwerkmechanikerin beschäftigt, und zwar zunächst ab 5. September 1983 befristet, ab 10. März 1984 unbefristet. Ab 1. Oktober 1990 ging das Arbeitsverhältnis zunächst auf die B und zum 1. Oktober 1995 im Rahmen eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – auf die C (GmbH) über.
Aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage der GmbH war im Jahr 1998 eine Umstrukturierung des Unternehmens erforderlich. Zwischen dem Betriebsrat der GmbH und der Unternehmensleitung wurde am 7. April 1998 ein Interessenausgleich-Sozialplan gemäß §§ 111, 112 BetrVG vereinbart. Danach waren zur Vermeidung einer sofortigen Betriebsschließung mit der Folge der Kündigung sämtlicher Beschäftigungsverhältnisse u.a. folgende Maßnahmen vorgesehen:
„1. Abschluß von Aufhebungsverträgen mit der C
2. Gleichzeitiger Abschluß von zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen mit der … D.
Durchführung struktureller Kurzarbeit in Verbindung mit Qualifizierungs- und/oder Weiterbildungsmaßnahmen.
Während der Dauer der strukturellen Kurzarbeit erhalten die betroffenen MitarbeiterInnen einen Nachteilsausgleich. Die Auszahlung dieses Nachteilsausgleichs erfolgt über die D aus dem durch die C zur Verfügung gestellten Härtefonds.
In den Härtefonds stellt die Firma C mindestens
10 % der fiktiv anfallenden Lohn- und Gehaltskosten ein.”
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Interessenausgleich-Sozialplan verwiesen.
In einer Protokollnotiz zum o.g. Plan vom 7. April 1998 wurde unter der Überschrift „Härtefonds” festgehalten, dass die GmbH für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis zum 30. April 1999 in den Härtefonds 2 Mio. DM einbringt. Aus diesen Mitteln sollten die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis mit der GmbH durch Aufhebungsvertrag beendet wurde und die mit der D
ein befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen haben, als Nachteilsausgleich für die dauerhafte Gewährung von Kurzarbeitsgeld eine monatliche Nettozahlung erhalten. Diese sollte sich nach der Differenz zwischen dem individuell gezahlten Kurzarbeitergeld und 90 % des fiktiven Nettoentgeltes bemessen.
Auf diese Protokollnotiz wird im Übrigen Bezug genommen.
In einer weiteren Vereinbarung vom 20. April 1998 zwischen der D und der GmbH wurde den von der D übernommenen Arbeitnehmern ein Nachteilsausgleich iSd § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes – EStG – zugesichert. Nach § 1 der Vereinbarung sollten Arbeitnehmer, die nach Beendigung der Beschäftigung bei der D keinen zumutbaren Arbeitsplatz erhalten konnten, einen nach einer besonderen Formel zu berechnenden Nachteilsausgleich aus von der GmbH bereitgestellten Mitteln erhalten. Arbeitnehmer, denen ein neuer Arbeitsplatz nachgewiesen wurde oder die einen Arbeitsplatz mit niedrigerer Bezahlung als bisher erhalten, sollten nach § 2 der Vereinbarung einen Nachteilsausgleich in Höhe des zwölffachen Differenzbetrags zwischen bisheriger und neuer Bezahlung, höchstens jedoch das 2,5fache des bisherigen Entgelts ...