Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für Kapitalertragsteuer
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 4.1.1989 für Kapitalertragsteuer der Jahre 1982 und 1983 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.3.1992 wird ersatzlos aufgehoben.
Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 32.558,– DM festgesetzt.
Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als Haftungschuldnerin mit Bescheid vom 4.1.1989 für in den Jahren 1982 und 1983 angefallene Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen werden durfte oder ob zum Zeitpunkt des Erlasses des genannten Haftungsbescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Betrieb einer Sprachschule. Das Stammkapital von 50.000,– DM wurde in den Streitjahren von …, New York, zu 100 % gehalten.
Bei der Klägerin wurde in der Zeit vom 20.7. bis zum 7.8.1987 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, daß die Klägerin an ihre Muttergesellschaft in den USA im Jahr 1982 verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von 3.117,– DM und in 1983 in Höhe von 127.117,– DM leistete. Diese resultierten aus überhöhten Lizenzleistungen und der unterlassenen Verzinsung einer Darlehensforderung. Auf Tz. 23 des Betriebsprüfungsberichtes vom 21.1.1988 wird insoweit verwiesen.
Nach Durchführung der Betriebsprüfung forderte das Finanzamt die Klägerin auf, für die genannten verdeckten Gewinnausschüttungen Kapitalertragsteueranmeldungen einzureichen. Dies verweigerte die Klägerin mit dem Argument, es sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.
Das Finanzamt erließ schließlich am 4.1.1989 gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über Kapitalertragsteuer für 1982 in Höhe von 779,– DM und für 1983 in Höhe von 31.779,– DM.
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Der Einspruch der Klägerin vom 31.1.1989 wurde mit Entscheidung vom 30.3.1992 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit ihrer Klage trägt die Klägerin nunmehr vor, der angefochtene Haftungsbescheid verletze sie in ihren Rechten. Gemäß § 191 Abs. 5 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) könne ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen, wenn bezüglich der zugrundeliegenden Haftungsschuld bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Dies sei im Streitfall deshalb zu bejahen, weil sich der Beginn der Verjährungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO richte, ohne daß die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO eingreife. Die genannte Anlaufhemmung habe nämlich den Sinn zu verhindern, daß ein Steuerschuldner, der eine Steuererklärung verspätet abgebe, hierdurch die dem Finanzamt zur Verfügung stehende Zeit zur Überprüfung dieser Erklärung ungerechtfertigt verkürze. Habe ein Steuerschuldner, wie im Streitfall, aber keine Einflußmöglichkeit auf die rechtzeitige Abgabe einer Steueranmeldung, so könne § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht angewandt werden.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf die im gerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer der Jahre 1982 und 1983 vom 4.1.1989 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.3.1992 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es führt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 30.3.1992 im wesentlichen aus, die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO greife im Streitfall ein. Dies ergebe sich daraus, daß die Vorschrift das Finanzamt immer dann begünstigen solle, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen sei. Unerheblich sei dagegen, ob die Verpflichtung den Steuerschuldner selbst oder einen Dritten treffe.
Wegen des Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung und den im gerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsatz verwiesen.
Dem Gericht lagen zu Steuernummer … Band Kapitalertragsteuerakten, 1 Band Vertragsakten, 1 Band Betriebsprüfungsberichte und 1 Band Rechtsbehelfe zur Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
1. Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann zwar derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
Die Klägerin hat unstreitig verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen, für die sie gemäß §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1, 45 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitfall geltenden Fassung (KStG) Kapitalertragsteuer hätte anmelden und an das Finanzamt abführen müssen. Da dies nicht geschah, haftete die Klägerin grundsätzlich gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 KStG und konnte auch grundsätz...