Dr. Dario Arconada Valbuena, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Gebührenüberhebungen i. S. d. § 352 StGB sind bei Steuerberatern äußerst selten. Die Bundessteuerberaterkammer vertrat mitunter sogar die Auffassung, der Steuerberater könne per se nicht den Straftatbestand des § 352 StGB erfüllen.
Der Straftatbestand der Gebührenüberhebung
§ 352 StGB (Gebührenüberhebung)
„(1) Ein Amtsträger, Anwalt oder sonstiger Rechtsbeistand, welcher Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen zu seinem Vorteil zu erheben hat, wird, wenn er Gebühren oder Vergütungen erhebt, von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrag schuldet, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.”
Die Vorschrift nimmt Rechtsanwälte ("Anwalt" und "sonstige Rechtsbeistände") in die Pflicht und stellt eine Gebührenüberhebung unter Strafe. Die Strafandrohung liegt bei einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Abgestellt wird auf die Erhebung von ungerechtfertigten Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen.
Vergütungen i. S. d. Vorschrift sind nur solche Ansprüche, die dem Grunde und dem Betrag nach gesetzlich festgelegt sind und die der Steuerberater nach den Gebührenordnungen, Taxen oder sonstigen Vorschriften selbst zu berechnen hat (vgl. zu Rechtsanwälten BGHSt 4, 233).
Begangen wird die Tat durch das Erheben von Vergütungen, von denen der Täter weiß, dass der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrag schuldet (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2002, 14; BeckOK StGB/Heuchemer, 55. Ed. 1.11.2022, StGB § 352 Rn. 6, 7).
Zum Täterkreis gehören unter dem Oberbegriff "Anwalt" neben den Rechtsanwälten die Patentanwälte (vgl. MüKoStGB/Voßen-MacCormaic, 4. Aufl. 2022, StGB § 352 Rn. 7).
Unter den Begriff des "sonstigen Rechtsbeistands" fielen nach dem früheren Rechtsberatungsgesetz (RBerG) Personen mit einer Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i. S. d. Gesetzes, soweit für sie das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (bzw. bis zu dessen Inkrafttreten am 1.7.2004 die BRAGO) sinngemäß galt. Seit Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) am 1.7.2008 sind die nach § 13 RDG registrierten Personen erfasst, soweit für ihre Vergütung das RVG gilt (vgl. MüKoStGB/Voßen-MacCormaic, 4. Aufl. 2022, StGB § 352 Rn. 8). Dazu gehören auch Steuerberater, da z. B. § 45 StBVV im Hinblick auf die Tätigkeit in gerichtlichen und ähnlichen Verfahren auf das RVG verweist. Diese sind als "sonstige Rechtsbeistände" ebenso zu beurteilen, wie Personen, die nach einzelnen Verfahrensordnungen als Rechtsbeistand fungieren können, soweit das RVG auf ihre Vergütung sinngemäß anwendbar ist (vgl. MüKoStGB/Voßen-MacCormaic, 4. Aufl. 2022, StGB § 352 Rn. 8).
§ 45 StBVV (Vergütung in gerichtlichen und anderen Verfahren)
"Auf die Vergütung des Steuerberaters im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit, im Strafverfahren, berufsgerichtlichen Verfahren, Bußgeldverfahren und in Gnadensachen sind die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sinngemäß anzuwenden."
Verfahren vor den Verwaltungsbehörden
Vor diesem Hintergrund erscheint die jüngst eingefügte Regelung des § 40 StBVV in einem neuen Licht, da der Steuerberater nunmehr auch in Verfahren vor den Verwaltungsbehörden wie ein Rechtsanwalt abrechnen kann und ggf. auch muss.
§ 40 StBVV (Verfahren vor den Verwaltungsbehörden)
"Auf die Vergütung des Steuerberaters für Verfahren vor den Verwaltungsbehörden sind die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sinngemäß anzuwenden."
Berufsordnung für Steuerberater
Von daher erscheint es überraschend, wenn behauptet wird, dass Steuerberater nicht zu den "anderen Rechtsbeiständen" gehören sollen. Auch berufspolitisch erscheint eine andere Sicht der Dinge fragwürdig. Denn die Berufsordnung für Steuerberater (BOStB) hatte bis zum 1.4.2005 insofern in Satz 3 von § 45 Abs. 4 BOStB a. F. ausdrücklich noch statuiert, dass eine "Gebührenüberhebung i. S. v. § 352 Strafgesetzbuch" berufsrechtswidrig sei.
Dazu hieß es in § 45 Abs. 4 BOStB a. F. unmissverständlich: "Eine Unterschreitung der angemessenen Vergütung ist berufswidrig. Ausnahmsweise darf besonderen Umständen, etwa der Bedürftigkeit eines Auftraggebers, durch Ermäßigung oder Streichung von Gebühren oder Auslagenersatz Rechnung getragen werden. Eine Gebührenüberhebung im Sinne des § 352 StGB ist berufswidrig." Die Satzungsversammlung der Bundessteuerberaterkammer hat am 21.12.2004 in Köln hingegen beschlossen, diese Vorschrift ersatzlos zu streichen. Die BStBK vertritt die Ansicht, ein Steuerberater könne nicht "Täter einer Gebührenüberhebung nach § 352 StGB sein".
Unbestritten bleibt, wie auch die Bundessteuerberaterkammer betont, dass eine Gebührenüberhebung nach wie vor berufsrechtlich relevant ist. Ein Verstoß gegen die Berufspflichten aus § 57 Abs. 1 StBerG, dort insbesondere der "gewissenhaften" Berufsausübung, wäre bei bewusster Gebührenüberhebung nach wie vor ...