Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Ulrike Geismann
Zusammenfassung
In der letzten Ausgabe ging es u. a. um die Zeitgebühr unter dem Aspekt von Mitarbeiterstunden im Rahmen von Mandantenbesprechungen. Auch in dieser Ausgabe geht es wieder um diese Gebührenart. In der Kollegenecke fragt ein Steuerberater, ob er für die Anfertigung einer Erklärung zur Feststellung nach dem Bewertungsgesetz den Mindestgegenstandswert ansetzen muss, oder ob er auf die Zeitgebühr ausweichen darf. Herr Beyme liefert die Antwort.
1 Kostenrecht: Kostentragung bei einer Entschädigungsklage
Durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren v. 24.11.2011 (BGBl 2011 I, S. 2302) hat der Gesetzgeber in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG geregelt, dass derjenige, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt wird.
Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG).
In HHG 8/2017 wurden die Einzelheiten der Regelungen bereits aufgezeigt und näher beleuchtet sowie die einschlägige Rechtsprechung zu dieser Thematik vorgestellt (vgl. auch HHG 5/2018). Eine neuere Entscheidung des für Streitigkeiten (einschließlich Kostenstreitigkeiten) betreffend die Entschädigung gem. §§ 198ff. GVG, § 155 FGO zuständigen X. Senats des BFH gibt Veranlassung, das "Entschädigungsverfahren" erneut, und zwar unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten, aufzugreifen.
Keine Zahlungsaufforderung vor Erhebung der Entschädigungsklage erforderlich
Der BFH (Urteil v. 29.11.2017, X K 1/16, BStBl 2018 II, S. 132) hat zur Kostentragung bei einer Entschädigungsklage Folgendes entschieden:
Zitat
Um eine Entschädigungsklage erfolgreich erheben zu können, bedarf es keiner erfolglosen vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung. Entscheidet sich ein Entschädigungskläger aber unmittelbar zur Klageerhebung, trägt er das Risiko, die Kosten des Entschädigungsverfahrens gemäß § 93 ZPO tragen zu müssen, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
Einzelheiten des Streitfalls aus kostenrechtlicher Sicht
Im Streitfall wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache in Bezug auf einen Teilbetrag der Entschädigung i. H. v. 1.000 EUR infolge übereinstimmender Erklärungen der Beteiligten erledigt. Der Beklagte hatte insoweit den Entschädigungsanspruch zeitnah nach Klageerhebung anerkannt. Das Gericht musste insoweit nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen war (§ 138 Abs. 1 FGO).
Zunächst war nach Auffassung des BFH zu beachten, dass dem Entschädigungsanspruch der Klägerin materiell-rechtlich insoweit voll entsprochen wurde. Nach dem Rechtsgedanken des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO hätte damit der Beklagte die Kosten zu tragen.
Die Klägerin hatte es jedoch versäumt, ihren Entschädigungsanspruch vor der Klageerhebung beim Beklagten geltend zu machen. Nach § 155 Satz 2 FGO i. V. m. Satz 1 FGO ist in solchen Fällen der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu übertragen. Danach fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat.
Außergerichtliche Einigung ist grundsätzlich möglich
Der Entschädigungsanspruch kann nach allgemeinen Grundsätzen (zunächst) auch außergerichtlich gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und befriedigt werden, d. h. die Beteiligten können sich außergerichtlich einigen. Ungeachtet dessen bedarf es jedoch keiner erfolglosen vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung, um eine Entschädigungsklage erfolgreich erheben zu können. Entscheidet sich ein Entschädigungskläger aber unmittelbar zur Klageerhebung, trägt er das Risiko, die Kosten des Entschädigungsverfahrens nach § 93 ZPO tragen zu müssen, wenn der Beklagte sofort anerkennt.
Das "sofortige" Anerkenntnis setzt regelmäßig voraus, dass der Beklagte die erste sich bietende Möglichkeit wahrnimmt. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss v. 30.5.2006, VI ZB 64/05, BGHZ 168, S. 75, unter II.2.b bb) ist es einem Beklagten allgemein nicht zuzumuten, einen Anspruch anzuerkennen, den er nicht in einem hinreichend lang bemessenen Zeitraum prüfen konnte. Dazu darf er die – nötigenfalls verlängerte – Klageerwiderungsfrist in Anspruch nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Beklagte innerhalb der ihm gesetzten Klageerwiderungsfrist das Anerkenntnis sofort ausgesprochen.
Außergerichtliche Einigung vor Entschädigungsklage anstreben
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es im Rezensionsfall im Zeitpunkt der Klageerhebung noch keine gerichtliche Entscheidung gab, in der dem Entschädigungskläger die Kosten des Entschädigungsverfahrens nach § 93 ZPO auferlegt wurden, weil der Beklagte sofort anerkannt hatte. Dem Prozessvertreter der Klägerin war zudem im Jahr 2012 im Rahmen eines a...