Dr. Andreas Nagel, Dr. Gregor Feiter
Mit Beschlüssen vom 19.4.2023 und 24.4.2023 (Az. 045 StL 22/22 und 045 StL 21/22) hat das LG Düsseldorf über die berufsrechtliche Zulässigkeit der Abtretung von Vorschussforderungen an die Steuerberater-Verrechnungsstelle (StBVS) entschieden. Hintergrund der Entscheidungen waren zwei Rügebescheide der zuständigen Steuerberaterkammer, in denen gegenüber den Berufsangehörigen in zwei Fällen die Abtretung von Vorschussforderungen an die StBVS nach Kündigung der Mandatsverhältnisse und damit nach Fälligkeit und in einem Fall die Abtretung von Vorschussforderungen vor Kündigung des Mandatsverhältnisses und damit vor Fälligkeit gerügt wurde. Die StBVS bietet digitales Honorarmanagement für Steuerberatungskanzleien an.
Die Steuerberaterkammer hatte die beiden Abtretungen von Vorschussforderungen nach Beendigung des Mandatsverhältnisses an die StBVS deshalb gerügt, weil die beiden Steuerberater es versäumt hatten, eine Schlussrechnung zu schreiben und ggf. diese Schlussrechnung an die StBVS abzutreten. Die Abtretung der Vorschussforderung im bestehenden Mandatsverhältnis wurde gerügt, weil die klageweise Geltendmachung eines Vorschusses überwiegend als berufswidrig angesehen wird und dies auch für die Abtretung von Vorschussforderungen gelten müsse. Die Steuerberaterkammer sah die latente Gefahr einer Übervorteilung des Mandanten, falls diesem nach Kündigung des Mandatsverhältnisses keine Schlussrechnung erteilt wird und die Verrechnungsstelle mit der Vorschussrechnung weiterhin Druck auf den Mandanten ausübt.
Abtretung von Vorschussforderungen nach Kündigung unzulässig
Nach Auffassung des LG war nur die Abtretung von Vorschussforderungen nach Beendigung der Mandatsverhältnisse in Folge der erklärten Kündigungen berufswidrig. Das LG bejahte einen Verstoß gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§ 57 Abs. 1 StBerG). In diesen Fällen sei keine bestehende Vorschussforderung, sondern ein nicht mehr bestehender Anspruch an die StBVS abgetreten worden. Bei dem Vorschussanspruch handele es sich um einen vorläufigen Anspruch, der bei der endgültigen Abrechnung zur Verrechnung zu erbringen sei.
Mit der Beendigung der Mandatsverhältnisse durch Kündigung entfalle der Anspruch des Steuerberaters auf die Forderung eines angemessenen Vorschusses. Vielmehr entstehe mit der Kündigung unmittelbar die Verpflichtung zur unverzüglichen Abrechnung über etwaig gezahlte Vorschüsse. Nach Beendigung des Mandatsverhältnisses sei der Mandant nur verpflichtet, auf ordnungsgemäß erstellte Rechnungen, die den Anforderungen des § 9 StBVV genügen, zu zahlen.
Damit gehe der Steuerberater, der trotz Beendigung des Mandatsverhältnisses weitere Vorschussforderungen abtritt, sehenden Auges das Risiko für seinen Mandanten ein, dass dieser trotz Erforderlichkeit der Erstellung einer Schlussrechnung noch mit weiteren als Vorschuss bezeichneten Forderungen durch Dritte konfrontiert werde, die er aber nicht zahlen muss und deshalb einem besonders erhöhten Risiko einer zivilgerichtlichen Zahlungsklage ausgesetzt werde.
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Abtretung von Vorschussforderungen, die erst nach Fälligkeit abgetreten werden, der Verstoß gegen die unverzügliche Abrechnungspflicht und damit ein Verstoß zur gewissenhaften Berufsausübung immanent sei.
Abtretung von Vorschussforderungen vor Kündigung zulässig
Anders bewertete das Gericht die Abtretung von Vorschussforderungen vor Beendigung des Mandats. Hier konnte das Gericht keine Verletzung von Berufspflichten erkennen. Aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 8 StBVV könne der Steuerberater für die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen grundsätzlich einen angemessenen Vorschuss verlangen. Dieser Anspruch könne gem. § 64 Abs. 2 StBerG unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn die Forderung rechtskräftig festgestellt worden ist oder die Abtretung – wie vorliegend – an den gem. § 64 Abs. 2 StBerG genannten Personenkreis abgetreten werden soll, grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Mandanten abgetreten werden.
Das LG konnte dem Gesetz insoweit keine Unterscheidung hinsichtlich der Forderungsart (Schlussrechnung oder Vorschussrechnung) entnehmen. Beides sei von dem Oberbegriff "Gebührenforderung" in § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG umfasst. Gründe für eine Auslegung oder teleologische Reduktion der Norm dahingehend, dass Vorschussansprüche nicht erfasst sein sollten, seien nicht ersichtlich.
Ziel der Neufassung des § 64 Abs. 2 StBerG im Jahr 2008 war es, die Abtretung von Forderungen durch Steuerberater zu erleichtern, um so eine Verbesserung der Liquiditätslage zu ermöglichen. Diese Aufrechterhaltung der Liquidität diene dabei letztlich auch der Einhaltung der Berufspflichten gem. § 57 StBerG, da Steuerberater in eigenen finanziellen Angelegenheiten korrekt und sorgfältig verfahren müssen.
Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus der Literatur zum RVG, in der überwiegend, aber ohne Begründung davon ausgegangen wird, dass ein Vorschussanspruch nicht klageweise gelt...