Ulrike Geismann, Jürgen Berners
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG wird in Prozessverfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Verfahrensgebühr mit Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift fällig. Der maßgebende Wert für die Ermittlung der Gebühr ergibt sich im finanzgerichtlichen Verfahren aus dem von § 52 Abs. 5 GKG bestimmten Wert. Da im Zeitpunkt der Erhebung der Gebühr (noch) keine Wertfestsetzung vorliegt, ist entweder
- bei Streitfällen über bestimmte Geldleistungen und auf bestimmte Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte der nach § 52 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 1 GKG maßgebende Wert, soweit er sich unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, oder
- in anderen Fällen der Mindeststreitwert nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG
anzusetzen.
Die Erhebung der Gerichtsgebühren (bereits) bei Einreichung der Rechtsmittelschrift nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch bewirkt die Fälligkeit der Kosten bei Einreichung der Rechtsmittelschrift eine unzulässige Zugangsbeschränkung zu den Finanzgerichten und verstößt daher nicht gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Justizgewährleistungspflicht.
Darüber hinaus ist die Regelung auch erkennbar nicht europarechtswidrig. Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK liegt ebenfalls nicht vor (vgl. BFH, Beschluss v. 19.10.2017, X E 1/17, BFH/NV 2018, S. 227).
Nach § 43 FGO können mehrere Klagebegehren vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist (objektive Klagenhäufung).
Die rechtliche Selbstständigkeit der miteinander verbundenen Klagen hat zur Folge, dass jede Klage zwar ihr eigenes prozessrechtliches Schicksal nimmt (z. B. keine Saldierung der Streitgegenstände; die Rücknahme einer dieser Klagen ist keine unzulässige Teilrücknahme; das Verböserungsverbot bezieht sich auf jede einzelne Klage; die Revision kann auf einen Streitgegenstand beschränkt werden), jedoch wird für die Kostenentscheidung ein Gesamtstreitwert für die verbundenen Klagen gebildet.
Aufgrund der degressiven Ausgestaltung der Gebührentabellen ist die Zusammenrechnung i. d. R. kostengünstiger als die Summe der Kosten der einzelnen Klagen (vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 43 FGO Tz. 3; Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO Tz. 103 m. w. N.).
Es ist bislang durch den BFH – und zwar sowohl für die Fälle des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG als auch für die der (endgültigen) Wertfestsetzung – nicht eindeutig geklärt, ob bei der objektiven Klagenhäufung
- für die Ermittlung des Streitwerts die Summe aus den tatsächlichen Einzelstreitwerten für die jeweils angefochtenen Verwaltungsakte – ohne Beachtung der Regelungen über die Mindeststreitwerte – gebildet und sodann diese Summe mit dem Mindestwert verglichen wird, oder
- die Reglungen über den Mindeststreitwert bereits auf jeden einzelnen Verwaltungsakt anzuwenden sind.
Von den Senaten des BFH werden derzeit – soweit ersichtlich – folgende Auffassungen vertreten:
- Der V. Senat des BFH hat – im Ergebnis zwar tragend, aber ohne nähere Befassung mit der Problematik – entschieden, dass der Mindeststreitwert in derartigen Fällen nicht auf den einzelnen Verwaltungsakt, sondern auf das gesamte Verfahren zu beziehen sei, also die Summe der Einzelstreitwerte mit dem Mindeststreitwert zu vergleichen sei (BFH, Beschluss v. 31.5.2007, V E 2/06, BStBl 2007 II, S. 791).
- Der X. Senat des BFH (Beschluss v. 19.10.2017, X E 1/17, BFH/NV 2018, S. 227) ist ebenfalls dieser Auffassung. Denn dafür spreche vor allem der Wortlaut des § 52 Abs. 4 GKG, der ausschließlich den Begriff "Verfahren", nicht jedoch den des "Verwaltungsakts" verwende. In Fällen der objektiven Klagenhäufung existiere aber nur ein einziges "Verfahren". Mangels Entscheidungserheblichkeit konnte der X. Senat des BFH die in Rede stehende Rechtsfrage jedoch nicht abschließend klären.
- Demgegenüber hat der IV. Senat des BFH – allerdings nicht tragend und ohne weitere Begründung – die Ansicht vertreten, auch in Fällen der objektiven Klagenhäufung sei für jeden selbstständigen Streitgegenstand der Mindeststreitwert anzusetzen (BFH, Beschluss v. 19.7.2016, IV E 2/16, BFH/NV 2016, S. 1582).
Abschließende Klärung durch den BFH notwendig
Die Frage, wie der Streitwert bei objektiver Klagenhäufung zu ermitteln ist, wenn für einige der angefochtenen Verwaltungsakte – bei isolierter Betrachtung – der Mindeststreitwert nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG überschritten, für andere der angefochtenen Verwaltungsakte hingegen unterschritten ist, bedarf im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtsprechung einzelner Senate einer abschließenden Klärung durch den BFH.
Besonderheiten galten bislang allerdings in Kindergeldangelegenheiten. Hier erhöhte sich der Streitwert nach "alter" Rechtslage, d. h. bis zum Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRModG) v. 23.7.2013 (BGBl 2013 I, S. 2586) am 1.8.2013, nicht deswegen, weil in Kindergeldangelegenheiten bei einer objektiven Kl...