Dr. Andreas Nagel, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Frage:
Für künftige Aufwendungen zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung für die Aufbewahrung von eigenen Geschäftsunterlagen ist eine Verbindlichkeitsrückstellung zu passivieren.
Wir haben im Kollegenkreis kontrovers darüber diskutiert, ob den Steuerberater eine öffentlich-rechtliche Pflicht trifft, die Handakten und insbesondere die Aufbewahrungskosten von Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum nach Mandatsbeendigung aufzubewahren, und ob damit einhergehend eine Rückstellung gebildet werden kann. Können Sie uns diese Frage beantworten?
Antwort:
Es muss zunächst vorausgestellt werden, dass sich die Frage nach der Bildung einer Rückstellung nur stellen kann, wenn ein Steuerberater seinen Gewinn nicht nach § 4 Abs. 3 EStG (sog. Einnahmen-Überschussrechnung) ermittelt, denn im Rahmen dieser Gewinnermittlungsart kommt die Bildung von Rückstellungen nicht in Betracht. Somit ist zunächst einmal die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Rückstellung gebildet werden kann.
Rückstellungen werden passiviert, um im abgelaufenen Wirtschaftsjahr entstandene, sich in der Zukunft auswirkende Verpflichtungen abzubilden. Diese Passivierung dient zum einen der periodengerechten Gewinnermittlung, zum anderen dem Gläubigerschutz, indem mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eintretende Belastungen des Unternehmens erfasst werden.
Verpflichtungen nach dem StBerG
Der Steuerberater muss durch das Führen von Handakten ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung seiner Aufträge geben können. Er hat die Handakten für die Dauer von 10 Jahren aufzubewahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Auftrag beendet wurde.
Diese Verpflichtung erlischt mit der Übergabe der Handakten an den Auftraggeber, spätestens jedoch binnen 6 Monaten, nachdem der Auftraggeber die Aufforderung des Steuerberaters erhalten hat, die Handakten in Empfang zu nehmen (§ 66 Abs. 1 StBerG).
Handakten im v. g. Sinn sind nur die Schriftstücke, die der Steuerberater aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, nicht aber der Briefwechsel zwischen dem Steuerberater und seinem Auftraggeber, die Schriftstücke, die dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat, sowie die zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere (§ 66 Abs. 3 StBerG).
Regelungen sind auch auf elektronische Handakten anwendbar
Die vorstehenden Regelungen gelten entsprechend, soweit sich der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte zum Führen von Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bedient (§ 66 Abs. 4 StBerG).
Keine Rückstellungsbildung unter dem Aspekt einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung
Für öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten wird als Voraussetzung einer Rückstellung verlangt, dass sie am Bilanzstichtag hinreichend konkretisiert ist und an ihre Verletzung Sanktionen geknüpft sind, sodass der Steuerpflichtige sich im Ergebnis der Erfüllung der Verpflichtung nicht entziehen kann. Dazu muss die zuständige Behörde einen Verwaltungsakt erlassen, der dem Unternehmer ein genau bestimmtes Handeln auferlegt, oder eine verwaltungsrechtliche Vereinbarung getroffen sein.
Ergibt sich die Verbindlichkeit ohne einen Verwaltungsakt unmittelbar aus dem Gesetz oder einer anderen untergesetzlichen Norm, ist erforderlich, dass die Norm ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln verlangt, innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu handeln ist und die Verletzung der Verpflichtung sanktionsbewehrt ist (vgl. Korn u. a. in: Korn, EStG, 1. Aufl. 2000, 136. Lfg. § 4 EStG Rz. 277.53 f.).
Für Steuerberater (und Wirtschaftsprüfer) scheidet die Bildung einer Rückstellung unter dem Aspekt einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Aufbewahrung von Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum aus. Der Wortlaut des § 66 Abs. 3 StBerG lässt dabei ohne Weiteres erkennen, dass die dem Steuerberatungsvertrag als Dienstvertrag (mit dem Gegenstand einer Geschäftsbesorgung) zuzuordnende allgemeine Pflicht des Auftragnehmers zur Dokumentation aller zur eigentlichen Auftragsdurchführung notwendigen und förderlichen Grundlagen und Hinweise nicht als Gegenstand und Inhalt der i. S. v. § 66 Abs. 1 Satz 1 StBerG aufbewahrungspflichtigen "Handakte" verstanden werden kann. Vielmehr sind insbesondere der Briefwechsel zwischen dem Steuerberater und seinem Auftraggeber, die Schriftstücke, die dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat, sowie die zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere – z. B. Notizen für die Erstellung von Bilanzen oder Prüfungsberichten – ausdrücklich ausgenommen.
Es ist auch anerkannt, dass die vom Steuerberater aufgrund seiner Verpflichtung aus dem Beratungsvertrag erbrachten Leistungen in Form schriftlicher Arbeitsergebnisse von der Legaldefinition des § 66 Abs. 3 StBerG nicht erfasst sind. Diese hat der Steuerberater weder "von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten" noch hat er sie – da sie die aufgrund des Vertragsverhältnisses geschuldete Leistung d...