Der Fall
Arbeitgeber und Betriebsrat stritten darüber, ob der Betriebsrat die Bildung einer Einigungsstelle verlangen kann, um auf diesem Wege die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zu erreichen. Arbeitgeber und Betriebsrat bildeten eine solche Einigungsstelle, der Arbeitgeber hielt aber seinen Einwand, der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung weiter aufrecht. Nachdem sich Arbeitgeber und Betriebsrat in der Einigungsstelle nicht einigen konnten, wandte sich der Betriebsrat an das Arbeitsgericht. Dort beantragte er, festzustellen, dass ihm bezüglich der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung ein Mitbestimmungsrecht zustehe, das auch umfasse, eine Regelung durch die Einigungsstelle zur Einführung der elektronischen Zeiterfassung zu verlangen (sogenanntes Initiativrecht). Das Landesarbeitsgericht gab ihm Recht.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeber hatte vor dem Ersten Senat des BAG Erfolg. Der Betriebsrat kann die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung nach § 87 BetrVG nicht über eine Einigungsstelle erzwingen. Das Bundesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates so ausgelegt, dass sich das Initiativrecht nicht lediglich auf die Ausgestaltung – das "Wie" – einer Arbeitszeiterfassung ("elektronisch"), sondern auch darauf beziehen soll, dass sämtliche Arbeitszeiten der Arbeitnehmer des Betriebs – also Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit einschließlich der Überstunden – systematisch erfasst werden.
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber schon gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmenden zu erfassen. Dies schließt ein – ggf. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.
Bedeutung für die Praxis
Die als Paukenschlag apostrophierte Entscheidung verdient diesen Titel nicht. Es war schon vorher aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache CCOO, klar, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen, um den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu verwirklichen. Dabei sind sie relativ frei, wie sie diese Zeiterfassung durchführen.
Dass das BAG diese Verpflichtung des Arbeitgebers nun in den Vordergrund stellt, ist nur insoweit überraschend, als dass der deutsche Gesetzgeber bisher nicht geschafft hat, eine Aufzeichnungspflicht im Arbeitszeitgesetz zu verankern. Das Arbeitszeitgesetz sieht bis heute nur vor, dass die über 8 Stunden hinausgehende tägliche Arbeitszeit zu erfassen ist. Insofern hat das BAG mit seiner Entscheidung zwar den Gesetzgeber "überholt", aber nichts von den Arbeitgebern verlangt, was nicht grundsätzlich sowieso schon Pflicht ist. Auch der Hinweis des BAG, die Aufzeichnungspflicht ergebe sich nicht aus dem Arbeitszeitgesetz, sondern bereits aus § 3 ArbSchG ist nicht überraschend, weil der europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung zur Begründung auch die entsprechenden Arbeitsschutzregelungen der Europäischen Union herangezogen hat.
Das BAG hat das Initiativrecht des Betriebsrates, ggf. mithilfe der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 5 BetrVG eine Regelung über ein elektronische Arbeitszeiterfassung herbeizuführen, nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es ist auf Grund der Auslegung des Antrags zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Betriebsrat darum gehe, generell bei der Einführung einer Arbeitszeiterfassung – und nicht nur bei deren Ausgestaltung – mitzubestimmen. Allerdings hat der Betriebsrat bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch ein Initiativrecht, das er allerdings nicht – wie hier – auf die Ausgestaltung in Form der elektronischen Zeiterfassung beschränken kann.
Aus der Entscheidung und ihrer Begründung ergeben sich wichtige Hinweise für die Praxis:
- Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gilt für alle Arbeitnehmer des Betriebes im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG, auch für solche, die unter die §§ 18 bis 21 ArbZG fallen.
- Europarechtlich muss die Arbeitszeit nicht zwingend elektronisch erfasst werden, sondern auch Aufzeichungen in Papierform können genügen. Außerdem kann die Aufzeichnung ggf. an die Arbeitnehmer delegiert werden.
- Wenn Arbeitgeber entgegen der Entscheidung des BAG die Arbeitszeit der Arbeitnehmer nicht aufzeichnen, droht zunächst kein Bußgeld. Erst dann, wenn die Aufsichtsbehörde eine Auflage erlässt, wonach der Arbeitgeber die Arbeitszeit zu erfassen hat, und der Arbeitgeber diese dann nicht umsetzt, droht ein Bußgeld.
- Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6, und insbesondere auch nach Nr. 7 BetrVG, wird durch die E...