0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem SGB X v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1469) ab 1981 in Kraft getreten und mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) bekanntgemacht worden. Mit Art. 3 Nr. 7 des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften v. 21.8.2002 (BGBl. I S. 3322) sind mit Wirkung ab 1.2.2003 in Abs. 2 jeweils das Wort "elektronisch" sowie Satz 3 eingefügt, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 neu gefasst und Abs. 4 neu eingefügt worden. Durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung anderer Gesetze v. 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749) ist Satz 3 in Abs. 3 mit Wirkung zum 1.8.2013 angefügt worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt in Abs. 1 – in Übernahme der Vorschrift des § 37 VwVfG – die Notwendigkeit der inhaltlichen Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes (VA) als materielle Voraussetzung. Abs. 2 bestimmt die grundsätzliche Formfreiheit für VA und gibt dem Betroffenen aber einen Anspruch auf eine schriftliche oder elektronische Bestätigung eines mündlich erlassenen VA und die schriftliche Bestätigung eines elektronisch erlassenen VA beim Vorliegen eines berechtigten Interesses. Für schriftliche oder elektronische VA werden in Abs. 3 zusätzliche Formerfordernisse aufgestellt. Der später eingefügte Abs. 4 verweist auf die gesetzliche Möglichkeit, dass bei elektronischen VA, die die Schriftform ersetzen und nach § 36a SGB I dann der qualifizierten elektronischen Signatur bedürfen, zusätzlich deren dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden kann. Abs. 5 Satz 1 enthält Sonderregelungen für die erforderliche Signatur bei VA, die in einem automatisierten Verfahren erstellt werden.
Rz. 3
Die Rechtsfolgen eines Mangels oder Fehlers bei den Formvorschriften sind nicht ausdrücklich geregelt. Unbestimmte Verwaltungsakte sind rechtswidrig. Eine Heilung nach § 41 ist ausgeschlossen, da kein Formfehler vorliegt, sondern ein materieller Fehler anzunehmen ist (BSG, SozR 4-1200 § 48 Nr. 2; Engelmann, in: v. Wulffen, Kommentar SGB X, § 33 Rz. 10). Verstöße gegen die in Abs. 2 bis 5 normierten Bestimmungen führen zur formellen Rechtswidrigkeit; insoweit gilt § 42.
2 Rechtspraxis
2.1 Inhaltliche Bestimmtheit (Abs. 1)
Rz. 4
Die Notwendigkeit der inhaltlichen Bestimmtheit eines VA folgt schon aus dem Begriff des VA selbst. Aus dem Verfügungssatz und der Bestimmung des Adressaten muss sich eindeutig ergeben, was von wem durch den VA verlangt oder wem gegenüber etwas festgestellt wird. Ist ein inhaltlich unklarer Verfügungssatz ausgesprochen, fehlt es an einer Regelung, auf die sich die Behörde hinsichtlich der Bestandskraft (§ 39 SGB X, § 77 SGG) oder ein Beteiligter als (formelle) Anspruchsgrundlage neben dem gesetzlichen Anspruch berufen könnte. Eine solche inhaltlich unbestimmte Regelung wäre auch nicht vollstreckungsfähig. Aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips ist die inhaltliche Bestimmtheit insbesondere bei eingreifenden VA erforderlich. Die Bestimmtheit ist auch für mit dem VA verbundene Nebenbestimmungen erforderlich (vgl. Komm. zu § 32). Dem Bestimmtheitserfor dernis steht nicht entgegen, dass das Verfügte als Bitte formuliert oder die Ablehnung mit Bedauern verbunden ist oder das Schreiben nicht als Verwaltungsakt oder Bescheid deklariert ist. Das Bestimmtheitsgebot steht mit der in § 35 geregelten Begründungspflicht in einem engen inhaltlichen Zusammenhang. Jedoch umfasst das Bestimmtheitsgebot ausschließlich den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes (BSG, Urteil v. 6.2.2007, B 8 KN 3/06), da auch nur dieser in Bestandskraft erwächst (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.3.2015, L 8 R 998/10).
Rz. 5
Wie konkret dieser Verfügungssatz abgefasst sein muss, wird maßgeblich durch den Rechtsbereich bestimmt, innerhalb dessen die Regelung zu treffen ist. Insoweit lassen sich allgemeine Anforderungen an den Inhalt für die Bestimmtheit nicht aufstellen. Die Bestimmtheit kann unter bestimmten Voraussetzungen auch aus der Begründung des VA oder sonstigen den Beteiligten bekannten Umständen und dem Schriftwechsel im Verwaltungsverfahren durch Auslegung ermittelt werden, wobei die objektiven Umstände zugrunde zu legen sind, nicht das subjektive Interesse des durch eine bestimmte Auslegung dann Begünstigten. Abzustellen ist immer auf die Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers (BSG, Urteil v. 10.7.2012, B 13 R 85/11 R; BSG, Urteil v. 23.8.2013, B 8SO 7/12 R). Unschädlich ist, dass der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes durch Auslegung zu ermitteln ist (BSG, Urteil v. 7.2.2012, B 13 R 85/09 R). Die Auslegung obliegt auch dem Revisionsgericht (BSG, Urteil v. 29.2.2012, B 12 KR 19/09 R). Inhaltliche Unklarheiten gehen i. d. R. zulasten der Behörde, da es in ihren Machtbereich fällt, eine klare und eindeutige Regelung zu treffen (BSGE 37 S. 155). Hinsichtlich des Zeitpunktes, an dem die Bestimmtheit des VA gegeben sein muss, kann nur auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Erlass des VA oder des Widerspruchsbescheides) abgestellt werden (BVerwG, NJW 1988 S. 505; Engelmann, in: v. Wul...